Eine Ritxoko-Puppe aus ungebranntem Ton, mit Bastschurz und Körperbemalung. Sie stellt die übernatürliche Figur des Hiré dar, eine Manifestation des Schopfkarakara (Geierfalke), zu erkennen an den Einschnitten oben auf dem Kopf. Die Herstellung von Ritxoko hat unter den Iny Karajá eine lange Tradition. Die Puppen werden bis heute von Künstlerinnen („ceramistas“) hergestellt, die in der Gemeinschaft hohes Ansehen genießen. Ritxoko dienten vorrangig als Kinderspielzeug, um spielerisch soziale Rollen, Werte und die Kosmologie der Gemeinschaft zu vermitteln. Dargestellt wurden Männer, Frauen und Kinder mit typischen Kleidungs- und Schmuckstücken (z.B. Wadenbänder für Männer, „Tanga“-Schurz und Hüftband für Frauen, Kopfschmuck), aber auch übernatürliche Figuren wie in diesem Fall. Seit Mitte des 20. Jh. werden Ritxoko auch für den Touristenmarkt hergestellt und bieten so eine Einnahmequelle für die Gemeinden. Daraus entwickelte sich auch ein Trend zu gebrannten größeren Tonpuppen mit farbigerer Bemalung.
Heute sind die Ritxoko als immaterielles Kulturerbe Brasiliens anerkannt. Seit 2017 arbeiten internationale Wissenschaftler*innen im Projekt „Presença Karajá“ mit Vertreter*innen der Iny Karajá daran, die weltweit fast 80 bekannten Museumssammlungen (davon ca. 90 Objekte in der Leipziger Krause-Sammlung) zu dokumentieren und in einer Datenbank für die Iny-Karaja und für die Forschung zu erschließen.
Der Sammler Fritz Krause (1881-1963) war ein führender deutscher Ethnologe des frühen 20. Jh. Im Auftrag des Leipziger Museums erwarb er 1908/09 während einer Expedition nach Brasilien mehrere hundert Objekte. Er leitete das Leipziger Museum 1927-1944 als Direktor; wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP und seiner Beteiligung an Kunstraubvorgängen während des Krieges wurden ihm nach 1945 die Leitung und Positionen an Museum und Universität entzogen. (MVL, Frank Usbeck, 12.10.2021)