Die architektonisch anmutende Glasinstallation dominiert einen von zwei den Werken Gerhard Richters gewidmeten Räumen im Albertinum. Die ebenerdige Arbeit besteht aus neun im Abstand von 50 cm parallel hintereinanderstehenden Glasscheiben, die mittels einer Stahlkonstruktion und diagonal verlaufender Spanndrahtseile fixiert sind. Trotz der Monumentalität wirkt das Werk leicht. Sie ist keine visuelle Barriere, sondern bietet dem Betrachter einen neuen Zugang zu den im selben Raum ausgestellten Werken des Künstlers an. Frontal betrachtet reihen sich die Gläser hintereinander so auf, dass sich der aufmerksame Besucher am Ende vage, unscharf und vergraut zu erkennen glaubt. Erst beim Gang um die Skulptur fällt das komplexe optische Spiel der neun Scheiben auf: In ihnen spiegeln sich die Kunstwerke an der Wand derart, dass sie verzerrt oder zerschnitten wiedergegeben werden und sich Motive zuweilen überlagern. Der Betrachter wird überrascht von der zufällig aufscheinenden Wirklichkeitsreflexion als einer von unendlichen Varianten. In dieser Erkenntnis mag die Qualität des Kunstwerkes liegen. Das Sehen ist ambivalent, die Wirklichkeit stets abhängig von ihrem Betrachter.
Seit 1967 integriert Gerhard Richter Glasarbeiten unterschiedlicher Art in seine Werkschauen und stellt das Objekt zur Erzeugung jener „fiktiven Bilder“ bereit, die als Durchblicke, Spiegelungen und Überlagerungen in den Glasscheiben für den kurzen Zeitraum der Betrachtung aufscheinen. Richters Glasinstallationen hinterfragen das Verhältnis des Individuums zur Wirklichkeit, was vor allem etwas mit „Unschärfe, Unsicherheit, Flüchtigkeit und Teilweisigkeit zu tun hat“ (Gerhard Richter, 1972). (Text: Janice Bretz/Kerstin Küster, 2018)