Die Elfenbeingruppe zeigt eine Szene aus der antiken Mythologie, in der männliches Begehren und weibliche Abwehr aufeinander treffen. Sie erinnert mehr an einen gewaltsamen Raub, an eine Inbesitznahme, als an eine Liebeswerbung, die durch den Kuss des Neptun suggeriert werden soll: Von der Grazie der Amphitrite verzaubert, ließ Neptun nichts unversucht, um sie als Gattin zu gewinnen. Als Liebesbote diente dem Gott der Meere ein Delphin, der die schöne Nereide zu ihm brachte. Zahlreich sind vor allem im 16. und 17. Jahrhundert Stichserien mit Darstellungen zu den „Liebschaften der Götter“, in denen Zeus und Neptun zumeist die „Hauptrollen“ spielen. Die Elfenbeingruppe wurde noch im 19. Jahrhundert in den Sammlungsführern des Grünen Gewölbe Balthasar Permoser zugeschrieben, gefolgt (im frühen 20. Jahrhundert) von Zuschreibungen an Melchior Barthel (siehe u.a. Inv.-Nr. II 47), der seine Ausbildung in der Werkstatt des David Heschler in Ulm erhalten hatte. Stilistische Vergleiche mit gesicherten Werken von Heschler zeigen, welch starke Affinität dieser außergewöhnliche Elfenbeinkünstler zu zweifigurigen, rundansichtigen Darstellungen hatte, wie etwa in seiner signierten Herkules-und-Cacus-Gruppe in Schwerin (Staatliches Museum) und der ihm zugeschriebenen Elfenbeingruppe mit Pluto und Proserpina in München (Bayerisches Nationalmuseum).