Das Böttgersteinzeug-Köpfchen ist nach dem Vorbild von Gian Lorenzo Berninis berühmter Marmorgruppe „Apollo und Daphne“ (1622/25) in der Galleria Borghese in Rom gearbeitet, wobei Bernini sich wiederum auf den antiken Apollo von Belvedere bezog. Dargestellt ist eine Schlüsselszene aus den „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovid: Der verliebte Apollo, Gott des Lichts und der Künste, bedrängt Daphne, die ihm zu entkommen sucht und sich in ihrer Verzweiflung in einen Lorbeerbaum verwandelt. In Berninis Marmorgruppe wendet Apollo den Kopf leicht zum erhobenen linken Arm, mit dem er nach der entfliehenden Daphne greift. Dies erklärt die ungewöhnliche Neigung des aus dem Kontext gerissenen Böttgersteinzeug-Köpfchens zur hochgezogenen linken Schulter, die nur im Ansatz gezeigt ist.
Berninis Apollo-Daphne-Gruppe erlangte bereits zu dessen Lebzeiten große Anerkennung und zählte im 18. Jahrhundert zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Rom. Mittels verkleinerter Kopien etwa in Gips oder Bronze verbreitete sich die Kenntnis des berühmten Bildwerks in ganz Europa. Eine solche Kopie diente der Meissener Manufaktur vermutlich als Vorbild für die Ausformung des Köpfchens in Böttgersteinzeug, das eine recht treue Nachschöpfung von Berninis Apollo darstellt. Gleiches ist für den Meissener Kopf der Proserpina anzunehmen, der Berninis Gruppe „Raub der Proserpina“ (1621/22) nachgeahmt ist. Ein Exemplar dieses selteneren Böttgersteinzeug-Modells befindet sich im Schlossmuseum Arnstadt (Inv. Nr. P-M 139).
Die Palaisnummer auf der Innenseite weist den Kopf als Teil der historischen Sammlung Augusts des Starken und Augusts III. im Japanischen Palais aus. (Julia Weber, 2021)