Christian Friedrich Tiecks Aufenthalt in Rom zwischen 1805 und 1808 war geprägt von unterschiedlichen Widrigkeiten: fehlende Aufträge aufgrund der Konkurrenz Canovas und Thorvaldsens sowie der eigenen Fehleinschätzung künstlerischer Größe.
Einer der wenigen, allerdings von Freundschaft geprägten Aufträge stellt die Bildnisbüste des jungen Amerikaforschers und Kosmologen Alexander von Humboldt (1769–1859) dar, der gerade von seiner ersten Reise in die Neue Welt zurückgekehrt war und seinen Bruder Wilhelm, den preußischen Gesandten in Rom, besuchte. Den Wunsch der klassizistischen Künstler-Bildhauer, durch Weiterentwicklung und Fortführung der Kunst der Antike diese selbst stilistisch zu übertreffen, konnte Tieck in dieser durchkomponierten Porträtbüste meisterlich umsetzen und dem neu entstandenen bürgerlichen Repräsentationsbedürfnis durch das Freundschaftsbildnis entsprechen. Es zeichnet sich durch einen sorgfältig gestalteten Faltenwurf des Obermantels und des Halstuches aus, die Haartracht mit einer extravagant wirkenden Tolle des Naturforschers ist kurz gehalten. Tieck stellt den ungefähr gleichaltrigen Humboldt in jugendlicher Frische dar. Das Bildnis verweist auf jene die Epoche des Klassizismus prägenden Begriffe: Vernunft und Genie. (Autor: Sebastian Oesinghaus, 2018)

1928 erworben von A. Mendelssohn, Bonn