Der Philosoph Sokrates lebte von 469 bis 399 v. Chr. in Athen. Er starb durch Hinrichtung, nachdem er wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend angeklagt und zum Tod durch den Schierlingsbecher verurteilt worden war. Da von ihm selbst keine Schriften überliefert sind, ist man bei der Würdigung seines philosophischen Wirkens ganz auf seine Schülerschaft und dabei vor allem auf die Werke Platons angewiesen. Über sein Äußeres heißt es, dass Sokrates außerordentlich hässlich gewesen sei. Seine Physiognomie wurde mit der eines Silens, das heißt eines halb tierischen, glatzköpfigen und knubbelnasigen Naturschrats, verglichen. Anklänge dieser spitzfindigen Gegenüberstellung finden sich auch in diesem Bildnis, das auf eine im Pompeion (Festgebäude hinter dem Dipylon-Tor in Athen) aufgestellte Ehrenstatue des Bronzebildners Lysipp zurückgeht. Diese hatten die Athener aus Reue in Auftrag gegeben und ihrem weisheits- und wahrheitsliebenden Bürger zur Würdigung wohl um 340/330 v. Chr. errichten lassen. Wie beliebt das Werk Lysipps auch zu späteren Zeiten gewesen ist, zeigen die zahlreichen Kopfkopien aus der Römischen Kaiserzeit. An dem Dresdner Bildnis ist nur der vordere Teil des Gesichts erhalten; Hinterkopf, Knubbelnase und Hermenschaft wurden Ende des 19. Jahrhunderts in Gips ergänzt.