Annähernd jeder der jungen deutschen Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – wie Hermann Haller, Ernesto de Fiori oder Bernhard Hoetger – hat sich mit der Darstellung von Tanz, Tänzern und Tänzerinnen befasst. Es waren gerade die Bewegungen der Modelle, die die Künstler um die Jahrhundertwende nicht nur in Deutschland faszinierten. Als sich Dresden unter dem Vorzeichen der alles umfassenden Lebensreform mit der Gründung der „Bildungsanstalt für Rhythmische Gymnastik“ von Émile Jaques-Dalcroze 1910 in Hellerau zu einem Zentrum des modernen Ausdruckstanzes in Deutschland entwickelte, entzog sich auch Karl Albiker nicht dieser Tendenz und griff nach Kriegsende 1918 noch einmal darauf zurück, obgleich sich bereits eine Stilwende innerhalb seines OEuvres abzeichnete. Von Albiker selbst wurde gesagt, er tanze „ebenfalls sehr beweglich, doch nur in seinem Atelier […]. Seine Tochter Giulia lernt in einer der bekannten Tanzschulen“. So modellierte der Künstler seine eigene Tochter, die in spielerischer Grazie ihr rechtes Bein vor das linke setzt. Die Arme sind zur Seite erhoben, die Hände fallen herab und der Kopf ist leicht geneigt. Die vermeintliche und für die klassische Tanzhaltung zu erwartende Anspannung der Muskulatur hat noch nicht den ganzen Körper ergriffen, beinahe zögernd und verhalten scheint die Tänzerin gerade in Begriff zu sein, ihre Position einzunehmen. Mit großer Sensibilität verleiht Albiker „Giulietta“ in der balancierenden Haltung, in den noch suchenden Gesten feinsinnige, aber verletzliche Leichtigkeit. (Autor: Astrid Nielsen, 2018)

1946 erworben auf der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung Dresden