Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Bildnis einer jungen Frau mit Mauerkrone als Darstellung der großen Göttermutter Kybele interpretiert. Sie stand,
genauso wie die Schicksalsgöttin Tyche, für Prosperität und Schutz der Städte und trug als Attribut unter anderem eine Krone in Form einer Stadtmauer auf dem Haupt. Da es seit der Römischen Kaiserzeit auch üblich gewesen ist, Angehörige der kaiserlichen Elite in Göttergestalt darzustellen, erkannte man in dem Marmorkopf später ein Porträt. Die bildliche Angleichung von Frauen des römischen Kaiserhauses an Göttinnen brachte die positiven Eigenschaften und besonderen Fähigkeiten der jeweiligen Gottheit mit der Persönlichkeit der Dargestellten in Verbindung. Fürsorge und Wohlstand verhießen also nicht nur die himmlischen Mächte, sondern auch die irdischen Mächtigen.
Über dem gescheitelten Haar mit eingekringelten Stirnlöckchen, das im Nacken zu einem Schlaufenzopf zusammengenommen ist, liegt ein Lorbeerkranz, darüber die Mauerkrone. Das jugendliche Antlitz mit den straffen Wangen, den leicht auseinanderstehenden Augen und dem schönlinig geschwungenen Mund vermittelt einen individuellen Eindruck. Vermutlich zeigt das Bildnis Valeria Messalina. Um 25 n. Chr. geboren, war sie ab etwa 39 n. Chr. mit dem späteren Kaiser Claudius verheiratet. Als Kaisergattin versuchte sie, ihre Stellung am Hof und die ihrer Kinder sicherzustellen, und hatte deswegen mit Diffamierungen zu kämpfen.