Die Büste wird Giovanni Maria Morlaiter zugeschrieben, der neben Giovanni Marchiori der bedeutendste Bildhauer Venedigs im 18. Jahrhundert war. Dargestellt ist Astraia, die jungfräuliche Göttin der Gerechtigkeit, die im Mythos von den fünf Weltzeitaltern eine wichtige Rolle spielt. Auf ihrem Weg vom Goldenen bis zum Eisernen Zeitalter hin verfiel die Menschheit moralisch so sehr, dass sich Astraia angewidert von der Erde abwandte und zum Sternbild der Jungfrau am Himmel wurde. Morlaiter erzählt die unter anderem in Ovids Metamorphosen behandelte Geschichte auf überaus raffinierte Weise: Über das Gewand der Figur ist ein Brustgurt gelegt, auf dem die Sternzeichen Schütze, Skorpion und Waage zu erkennen sind. Das nächste Emblem in dieser Reihenfolge wäre das Sternzeichen der Jungfrau, das jedoch von einer Locke überdeckt wird. Folgt man der zur Locke gehörigen Haarsträhne, so führt sie den Blick zur Stirn der Figur, an der ein Stern – lateinisch »astrum« – angebracht ist. Verbunden mit der ekstatisch zum Himmel gewandten Pose wird so verdeutlicht, dass Astraia und das Sternbild der Jungfrau ein und dasselbe sind. Eingebettet ist dieser subtile Verweis in eine für Morlaiter typische spiralförmige Komposition, deren suggestive Bewegung am unteren Ende des Brustgurtes beginnt, über diesen zur linken Schulter geführt wird und dort in die um den Nacken gelegte Haarsträhne übergeht, um im Stern über der Stirn zu enden.