Neben Rodin und Maillol zählt Medardo Rosso zu den großen Neuerern in der Geschichte der modernen Skulptur. Doch anders als seine französischen Zeitgenossen beschäftigten den Italiener vor allem der Moment der Wahrnehmung einer Figur und ihre Verschmelzung mit dem Raum, was seinen Arbeiten die Bezeichnung „impressionistische Plastik“ eintrug. Rossos Auffassung zeigt sich in der Betonung des Malerischen durch bewegte Oberflächen, die sich jedoch von jenen Rodins unterscheiden. Körperlichkeit und Form treten bei Rosso hinter dem atmosphärischen Gesamteindruck zurück und werden radikal aufgelöst. Die Einwirkung des Lichts ist ein wichtiger Bestandteil seiner Ästhetik; sie sollte die Formauflösung und Entmaterialisierung steigern.
„Bambino malato“ entstand vermutlich nach einem Klinikaufenthalt Rossos 1889; das schlafende, kranke Kind könnte er an dessen Krankenbett beobachtet haben. Auffällig sind vor allem die Neigung des Kopfes und der leicht geöffnete Mund. Physiognomische Details wie die geschlossenen Augen werden nur angedeutet und erscheinen diffus. Wie andere Werke Rossos ist auch „Bambino malato“ auf einen einzigen Betrachtungspunkt hin angelegt. In dieser Fassung des Werkes aus Wachs ließ er einen Teil der Gussnaht stehen, der sich wie ein Nimbus um das Köpfchen legt, was sich als Hinweis auf Todesbedrohung und Verklärung im Jenseits deuten lässt. Gerade das geschmeidige Material Wachs absorbiert Licht und Schatten eindeutiger und unterstützt die scheinbare Verschmelzung des Werkes mit der Umgebung. Dieses Bildnis Rossos gehört zu seinen am stärksten verinnerlichten. In virtuoser Weise verlieh er mit atmosphärischer Ruhe dem Haupt eine besondere Aura. (Autor: Astrid Nielsen, 2018)

1901 vom Künstler erworben