Bei der „Knienden“, die Wilhelm Lehmbruck im zweiten Jahr seines Parisaufenthalts schuf, gelang es dem Künstler, einen neuen Typus figürlicher Skulptur hervorzubringen: eine Idealfigur, die weder Porträt noch Illustration eines bestimmten Themas ist, sondern allein aus ihrer Haltung heraus ein besonderes Lebensgefühl zur Darstellung bringt. So wirkt die „Kniende“ durch die Hand des angewinkelten rechten Armes, die in entspannter, fast demütiger Geste vor der Brust gehalten ist, den seitwärts nach unten geneigten Kopf und die geschlossenen Augen weltvergessen und beseelt von lyrischer Innerlichkeit.
Es ist an der „Knienden“ bemerkenswert, dass sie als Ganzfigur durch ihre langgestreckten Körperglieder einen eigenen Raum definiert, innerhalb dessen sich ihr fein nuanciertes Gestenspiel entfaltet. Anders als seine zuvor geschaffene „Stehende“ hat Lehmbrucks „Kniende“ die Gemüter in besonderer Weise kontrovers bewegt. Erste Betrachter waren irritiert und empfanden die Figur teils als „gotisch“ oder sahen in ihr einen dem Engel oder der Maria in Szenen der Verkündigung vergleichbaren Ausdruck. (Autor: Astrid Nielsen, 2018)

1920 wurde das Werke von der Witwe des Künstlers erworben, 1937 im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in die USA verkauft. Die "Kniende" gelangte 1993 in den Kunstmarkt und konnte 1993 aus dem New Yorker Kunsthandel zurückerworben werden.