Will man in Wien eine Stadt sehen, die durch ästhetische Formen von prachtvoller Schönheit und ausufernder Ornamentik zu charakterisieren ist, so wird man Fritz Wotruba zwangsläufig als eine widerständige Erscheinung begreifen müssen. Die Werke des Wiener Bildhauers sind streng strukturierte und oft archaisch anmutende Darstellungen der menschlichen Figur, die meist von ihm unmittelbar aus einem Block harten Gesteins herausgearbeitet wurden und durch die grobe Beschaffenheit ihrer Oberfläche auf ihren schöpferischen Ursprung verweisen.
Nachdem Wotruba im Jahre 1948 aus dem Schweizer Exil in seine Heimat zurückkehrte, fand er seinen eigenen Weg in die Abstraktion, indem er die Ausprägungen der menschlichen Gestalt maximal reduzierte und sie in architektonische Gesetzmäßigkeiten überführte. Die Figur von 1958 kann aufgrund ihrer tektonischen Gliederung und der Abstrahierung des Körperbaus mittels der für Wotruba so typischen Pfeilerformen als exemplarisch für die Eigensinnigkeit seiner künstlerischen Prinzipien betrachtet werden. Durch die Ebene des Abstrakten lässt sich die Figur innerhalb der Skulpturensammlung in einem verwandtschaftlichen Bezug zu den Arbeiten von Avramidis und Steinbrenner stellen, während die archaische Struktur der Bronze in einem hohen Spannungsverhältnis zum glatt polierten und hellen Marmor der Plastik „Ram I“ von Arp zu stehen scheint. Der Möglichkeit einer ausschmückenden Gestaltung setzte Wotruba die stumme Direktheit und Geschlossenheit seiner kantigen Figuren entgegen und betonte dadurch die Notwendigkeit seines künstlerischen Ausdrucks. (Autor: Tobias Ihl, 2018)

1993 erworben vom Kunsthandel Wolfgang Werner KG, Berlin