Figuren und Reliefs aus Elfenbein waren - ähnlich den Kleinbronzen der Renaissance und des Barocks - eher intime, für private Betrachtung prädestinierte Sammlerobjekte. Sehr oft variierte man in Elfenbein auch Themen und Motive der Monumentalplastik und holte sie gleichsam als Verkleinerungen in das fürstliche Kunstkabinett. So ist die Elfenbeinstatuette des Götterboten Merkur mit Amor von Adam Lenckhardt undenkbar ohne die Vorbildwirkung der monumentalen bronzenen Brunnenplastik, die Adriaen de Vries zwischen 1596 und 1599 für den heutigen Moritzplatz der Freien Reichsstadt Augsburg geschaffen hat. Lenckhardt, der seit 1642 als Kammerbildhauer für Karl Eusebius von Liechtenstein (reg. 1627-1684) von Wien aus tätig war, griff die kompositorische Grundidee der Großplastik auf, die er auch durch den 1614 veröffentlichten Kupferstich von Wolfgang Kilian gekannt haben könnte. Ebenso wie de Vries zeigt Lenckhardt den kräftig gebauten Merkur in jenem Augenblick, da ihm der kniende Amorknabe die Flügelsandale schnürt. Der Götterbote ist in Eile, denn er trägt schon seinen Reisehut (Petasos) und hält in der Linken den Heroldstab (Caduceus). Mit der rechten Hand weist der schöne Jüngling gen Himmel, denn dorthin wird ihn seine Reise führen.