Die zum Horizont verlaufenden Linien von Dachfirst und Straße sind voller Sogwirkung, just auf diesen Fluchtpunkt gehen auch die Spaziergänger zu. Deutlich voneinander abgesetzt sind die übrigen Häuser, Bäume und Figuren im statischen Nebeneinander wohl verteilt. Inmitten der erdigen Rot-, Braun-, Ocker- und Grüntöne leuchtet das klare Blau des Weges hervor. Farbiger Höhepunkt der kleinen Bilderzählung mit friedlichen Spaziergängern im Dorf ist das aufstrahlende Orange eines Haarschopfs auf der leuchtend blauen Straße. Der Maler hatte ein solches Farberlebnis 1921 offenbar während eines Weihnachts- oder Neujahrsaufenthalts in seinem vor Chemnitz gelegenen Heimatdorf Rottluff und hielt es auf einer Postkarte fest, die er an Lyonel Feiningers Frau Julie sandte. Etwa mit Beginn des Ersten Weltkrieges war aus Schmidt-Rottluffs Palette das Pathos der reinen Farben zugunsten einer verhalteneren Farbigkeit aus gemischten Tönen gewichen. Die Gegenstandsform ist in dem Gemälde von 1921 nicht mehr mit der Farbe selbst, sondern durch die Kontur definiert und von verlaufenden Farben ausgefüllt. In der Dorfszene ist die menschliche Figur nun in die Landschaft eingebunden. Ein verändertes Verhältnis des Malers zu der ihn umgebenden Wirklichkeit wird spürbar. (Autor: Birgit Dalbajewa, 2018)

1972 erworben von der Familie des Künstlers, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz)