Vorschaubild des Elementes mit der Inventarnummer Gal.-Nr. 3073
Ort, Datierung
Material und Technik
Abmessungen
200 x 201 cm
Museum
Inventarnummer
Gal.-Nr. 3073
In ihrem Heft zum 1. Mai 1914 berichtete die »Kunstchronik « (Sp. 468) über den Rücktritt des Monumentalmalers Hermann Prell als Leiter des Meisterateliers für Historienmalerei an der Dresdner Kunstakademie. Bezüglich dessen Nachfolge wurden öffentlich verschiedene Namen ins Spiel gebracht, u. a. Max Klinger und Georg Lührig, aber auch Oskar Zwintscher (1). Kriegsbedingt wurde die Stelle allerdings nicht sofort wiederbesetzt; erst 1916, nach Zwintschers Tod, fiel die Wahl auf Ludwig von Hofmann. Zuvor hatte sich Akademiekollege Robert Sterl noch dafür ausgesprochen, »dass Zwintscher diese Stelle, die von Prell, bekommt.« (2) Aus dem Jahr 1915 stammt Zwintschers großformatiges quadratisches Gemälde »Begegnung«. Es zeigt Mann und Frau, nackt und einander gegenübergestellt, im direkten Blickkontakt, an einem ebenen Meeresstrand. Die Komposition ist von den großen Flächen der Landschaftsszenerie ebenso geprägt wie von den beiden monumentalen Figuren. Perspektivische Diskrepanzen in deren physiognomischen Proportionen führen zu der – noch nicht näher belegbaren – Vermutung, das Werk könnte in einem Zusammenhang mit der eingangs beschriebenen Kandidatensuche für die ehemals Prellsche Professur stehen. Eine ausgewiesene Befähigung auf dem Gebiet der Wandmalerei dürfte für diese Stelle unabdingbar gewesen sein. Der reduzierte Bildaufbau des Gemäldes, die strenge Betonung von Vertikalen und Horizontalen sowie klare Konturen und angedeutete Verkürzungen aus einer implizierten leichten Untersicht heraus erscheinen typisch für diese Gattung. Auf Leinwand derartige Probestücke auszuführen, war zu jener Zeit keineswegs unüblich (vgl. »Sommertag« von Georg Kolbe, 1903, Albertinum, Gal.-Nr. 3162). Auch eine hypothetische Verwendung als Vorlage für ein Mosaik ist nicht ausgeschlossen. Inhaltlich erscheinen in dem so einfach und eindeutig aufgefasst wirkenden Gemälde verschiedene Lesarten möglich, angefangen bei dem alttestamentlich überlieferten ersten Menschenpaar Adam und Eva über die Begegnung der Geschlechter im Allgemeinen bis hin zu einem mutmaßlichen Bestandteil eines mehrteiligen Zyklus, der zum Beispiel den Lauf des Lebens verbildlichen sollte: um 1900 ein populäres Motiv unter dem Motto »Werden – Sein – Vergehen«, das durch zwei weitere Bilder Zwintschers aus etwa der gleichen Zeit (»Der Sieger « und »Der Tote am Meer«, beide Städtische Galerie Dresden) denkbare Ergänzungen finden könnte. Ursprünglich angedachte Attribute oder narrative Bildelemente wurden aus der Komposition allerdings größtenteils verbannt, ein felsiger Bachlauf zwischen beiden Figuren (durch den sie auch stärker in die Landschaft eingebunden gewesen wären) rigoros übermalt, um möglicherweise einer interpretatorischen Festlegung entgegenzuwirken. Doch andererseits lädt die konkrete Betitelung des Gemäldes gerade dazu ein, sich mit dem Thema der ganz im Duktus der Zeit ins Mythische gehobenen Beziehung der Geschlechter auseinanderzusetzen, wie dies um 1900 in verschiedenster Form gehandhabt wurde. Beispiele dafür mit Dresden-Bezug stammen u. a. von Richard Riemerschmid (»Garten in Eden«, 1896) und Zwintschers Schüler Hanns Hanner (»Junge Menschen«, um 1907, »Das Erwachen«, um 1909), aber auch von Bildhauern wie Felix Pfeifer (»Erste Liebe«, 1896/1902), Edmund Moeller (»Ein Wiedersehen«, 1915) oder Albert Bartholomé (»Aux Morts«, als Abguss seit 1901 in Dresden). Nicht zuletzt weckt auch das wie erstarrt wirkende Innehalten des im Porträt individuell aufgefassten Mannes gegenüber der stärker idealisierten Frauengestalt Erinnerungen an die ersten Zeilen aus einem Gedicht von Friedrich Schiller (»Noch seh ich sie, umringt von ihren Frauen, / Die herrlichste von allen stand sie da, / Wie eine Sonne war sie anzuschauen, / Ich stand von fern und wagte mich nicht nah […]«) – sein Titel: »Die Begegnung«.
(Andreas Dehmer: 2021)

1 Kunstchronik, N. F. 26 (1915), 29. 1. 1915, Sp. 244.
2 Brief vom 7. 6. 1915; zit. in: Zimmermann 2011, S. 181.
Signatur, Bezeichnung, Inschriften
Bezeichnet rechts unten: OZ 1915

1942 erworben für den Freistaat Sachsen von der Wilhelm und Bertha von Baensch-Stiftung (zuvor vermutlich im Nachlass Zwintscher bei Adele Zwintscher [1872–1942]); 1952 im Bestand der Gemäldegalerie inventarisiert

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Albertinum Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900
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