„Es ist kein Zufall, daß ich die Mutter, die Eltern zum Hauptträger meines Schaffens gestaltete“, schrieb Böckstiegel 1929, als seine Mutter 73-jährig starb. Der Tod der Eltern hatte ihn schon zuvor bildlich beschäftigt. Seine Mutter, eine Bäuerin aus Niedersachsen, deren Güte und deren Fleiß auf dem Feld er hervorhob, erscheint hier in einem bis zum Boden umhüllenden Tuch und Stock, gleichsam am Ende der Lebenswanderung. Als Schutzmantelmadonna hatte er 1920 bereits seine Frau mit Kind dargestellt. Das Bildnis einer anderen alten Frau mit Tuch über Kopf und Schultern nannte er „Stumme Anklage“. In die Symbolik des sozialkritischen Künstlers fließt das Pathos von Heimat- und Familienverbundenheit ein. Den Ernst und die Würde, mit denen er die „Menschen ohne Phrase“ aus seiner westfälischen Heimat darstellte, hatte sein Malerkollege Conrad Felixmüller hervorgehoben.
1912 hatte der Maler „Säle mit Werken der lodernden Flammenschrift van Goghschen Geistes“ in Köln gesehen. Spuren hatte in seinem Werk auch die Ausbildung bei Otto Gussmann in Dresden hinterlassen. Schon bei Studienbeginn hatte Böckstiegels direkter und leidenschaftlicher Farbauftrag Aufmerksamkeit erregt. Glühende Rot- und Gelbtöne zeichnen seine Gemälde aus, im Bildnis der Mutter ist das leuchtende Blau des karierten bäuerlichen Stoffes dazugesetzt.