Monumental im Bild sitzt inmitten von Wiesengräsern ein prall geformtes Kind – mehr noch ein Putto – mit hängenden Pausbacken und runden Knien. Die Lichtsymbolik sowie die Attribute Fruchtkorb und Apfel entspringen nicht allein der spontanen Beobachtung. Das Rasenstück wird, gleich einer Insel ins Bild gesetzt, zu einem Zitat aus der Geschichte der Kunst.
Cassel reagiert mit seinem Kinderbildnis auf populäre Vorbilder. Der hier dargestellte Sohn des Malers Constantin glich vom Typus her tatsächlich den Kindern seines weitaus bekannteren Malerkollegen Otto Dix. Dix´ wie auch Cassels Kinderbildnisse sind eine Referenz an Philipp Otto Runges berühmtes Bildnis der Hülsenbeckschen Kinder von 1805. An Runges romantischer Sehnsucht nach dem reinen Gemüt des Kindes, das auch Blumen verstehen kann und von ihnen verstanden wird, schließt auch die Suche nach Nähe zur Natur an, die Cassels Bildwelt und Lebensweise charakterisierte.
Die manieristische Überhöhung einer Malerei, die ursprünglich von zivilisationskritischen, naiven Ansätzen ausging, birgt auch eine Ankündigung der Nichteinlösung utopischer Hoffnungen in sich. Das Werk von Cassel, der nationalsozialistischen Ideen folgen und im Krieg 1944 fallen sollte, nimmt seinen Platz ein in der widersprüchlichen, von falscher Idealisierung bedrohten Malerei der dreißiger Jahre.
Text: Birgit Dalbajewa