92 Jahre war Hermann Glöckner bereits alt, als sein Bild „Kreideschwünge auf einer Schultafel“ entstand. Dabei war er auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Schaffenskraft. Seit 1956 malte Glöckner ausschließlich abstrakt. Sein Formenrepertoire repräsentiert ein breites Spektrum konstruktivistischer Stilphasen, in deren Zentrum die so genannten Faltungen stehen. Die Faltungen von geometrischen Flächen überführte Glöckner dabei in perspektivische oder sogar plastische Formgebilde. Dabei sind die komplexen, farbig akzentuierten Strukturen oft nicht mehr auf ihre Ausgangsformen zurückzuführen. In dem Gemälde „Kreideschwünge auf einer Schultafel“ von 1981 suchte der Künstler nach einer anderen Bildgestaltung. Charakteristisch für Glöckners Werk ist auch hier seine prosaische Betitelung der Arbeit, die keine Deutung oder Assoziationen anzuleiten versucht, sondern Formenvokabular und Materialität seiner Malerei präzise beschreibt: So erfährt der Betrachter hier scheinbar exakt und vollständig, was der Künstler (Schwünge) mit welchem Werkstoff (Kreide) auf was für einen Bildgrund (Schultafel) aufgebracht hat. Und er wird von dem Ergebnis und dessen malerischer Intensität trotzdem überrascht: von der bildnerischen Kraft der Darstellung, der malerischen Subtilität des Untergrundes, von der gestischen Offenheit und der konstruktiven Präzision in Glöckners linearer Zeichnung. (Autor: Dietmar Elger, 2018)

1990 Schenkung aus dem Nachlass des Künstlers