Das gleißende Licht eines Blitzes abschirmend, wird die Fassade dreier Mietskasernen zur kulissenhaften Schattenwand. Die Fenster sind dunkel, in der Stadt, über der das nahe Gewitter niedergeht, ist kein Bewohner zu sehen. Der Widerschein des in kaltem Blauweiß grell erleuchteten Himmels fällt auf eine leere Straßenkreuzung. Das Himmelssegment darüber ist fast schwarz. Reißbrettartig ist das Geschehen in Licht und Schatten geteilt. Eingesetzt sind Negativeffekte der Fotografie. Aus dem streng Linearen fallen wenige, das Milieu beschreibende Details heraus: Gardinen, bröckelnder Putz und die Türmchen auf den Eckhäusern. Solche Hauben sind ein Motiv, mit dem Grundig realistischen Szenen häufiger fantastische und skurrile Züge verlieh.
Als Wendepunkt von der Schilderung der ihn täglich umgebenden „Welt des Klassenkampfes“ hin zu visionären Darstellungen bezeichnete seine Frau Lea Grundig das Gemälde 1973: „Gewitter bedeutete bei Hans immer gesellschaftliche Spannung. Beinahe jede Landschaft der Weimarer Republik hat das Gewittrige der herannahenden Katastrophe.“ Den Bildtitel „Kalte Nacht“ erklärte sie als falsch.
Hans Grundig, seit 1926 engagiertes Mitglied der KPD, arbeitete auch nach 1933 weiter an Architektur- und Tierbildern, deren Symbolik seine Kritik an den politischen Verhältnissen offenkundig zum Ausdruck brachte. (Autor: Birgit Dalbajewa, 2018)

1970 erworben von der Witwe des Künstlers aus Mitteln des Kulturfonds der DDR