Als Gerhard Richter im Sommer 1972 zu seiner zehntägigen Pauschalreise nach Grönland aufbrach, hatte er ein bestimmtes Bild vor Augen: Das 1823/24 entstandene Gemälde "Das Eismeer" von Caspar David Friedrich. Friedrichs Werke waren dem in Dresden geborenen und ausgebildeten Richter seit den 1950er Jahren wohlbekannt. Diesem Gemälde begegnete er allerdings erst 1968 im Original. Zu der Zeit hatte er eine Vertretungsprofessur für den Maler Paul Wunderlich an der Hamburger Hochschule für bildende Künste übernommen. Seit 1905 befindet sich Friedrichs Gemälde in der Sammlung der dortigen Kunsthalle. Die Grönlandreise war für Richter jedoch kein Urlaub, weshalb er auch allein reiste. "Ich wollte Fotos machen, wie "Die Gescheiterte Hoffnung" von Caspar David Friedrich. Das Ganze war ein Projekt. [...] Nach der Reise hatte ich diese vielen schönen Grönlandfotos, aber es war fast keines dabei, das ich malen konnte, es waren zu viele, und alle waren schön und zeigten diese wunderbare Reise." Deshalb fanden die Fotos zuerst Eingang in Richters Atlas (Tafel 341 bis 359). Erst 1980 entwarf der Künstler ein Buch mit diesen Fotos. Und es sollte noch mehr als ein Jahr dauern, bis das Künstlerbuch "EIS" in der Galerie von Mario Pieroni in Rom ausgestellt und auch herausgegeben worden ist. Für "EIS" gruppiert Gerhard Richter 213 Fotos auf 160 Seiten zu einem schmalen Buch. Die Schwarzweißfotos werden im Buchdruck als Offsetdruck in schwarz wiedergegeben. Den weißen Kartonumschlag hat Richter mit farbigen Lacken vollständig abstrakt bemalt. Jedes der 113 Exemplare ist demnach ein Unikat. Im Gerhard Richter Archiv befindet sich auch der Entwurf (Inv. Nr. 117/16) zu diesem Künstlerbuch. (Text: Dietmar Elger / Kerstin Küster 2020)