Kerbach hatte ab 1977 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Gerhard Kettner und Siegfried Klotz studiert, wurde nach zwei Jahren durch seine non-konforme künstlerische Haltung, die sich der sozialistischen Kunstdoktrin widersetzte, exmatrikuliert und verließ 1982 die DDR. Vier Jahre nach dieser biografischen Zäsur entstand das Selbstbildnis. Die in frontaler Ansicht erfasste Person trägt einen Eisblock wie einen Hut auf dem Kopf, Schmelzwasser rinnt die linke Gesichtshälfte hinab und verdeckt diese bis zur Nase, am Rand zu Eiszapfen gefroren. Über einem hochgeschlossenen, uniformähnlichen Mantel ist der Mund unter einem Halstuch verborgen, das weit aufgerissene rechte Auge blickt starr. Das Eis auf dem Kopf erscheint wie ein Verband, das Schmelzwasser wie aus einer Wunde herabfließendes Blut – ein Eindruck, der sich durch den annähernd in die Bildmitte gelegten roten Farbstrich auf dem Nasenrücken noch verstärkt. Das Selbstporträt ist als Brustbild angelegt und erinnert durch das formatfüllende Motiv an Selbstbildnisse, die Vincent van Gogh in den 1880er Jahren malte. Die wie schwer verwundet und deformiert erscheinende Gesichtshälfte und der durchdringende, wenn auch einäugige Blick unterstreichen diese Assoziationen. So ist das Selbstporträt geprägt von Versehrtheit, ängstlicher Starre, von Unbeweglichkeit und ohnmächtigem Schweigen, wodurch Kerbach ganz existenzielle menschliche Erfahrungen und Bedrohungen zum Ausdruck bringt. Der Künstler kehrte 1992 als Professor für Malerei und Grafik an die Hochschule in Dresden zurück. (Autor: Astrid Nielsen/Sabine Siebel, 2018)

1996 erworben von der Galerie Eva Poll, Berlin