Die frühen Arbeiten des Dresdner Malers und Fotografen Edmund Kesting zeichnen sich durch Formexperimente aus, die an jüngsten Ideen europäischer Künstler anschlossen. Er schuf Bildbauwerke, Schnittcollagen und später Fotografien mit Doppelbelichtungen. 1920 begann Kesting die Leinwand als Malgrund zu wölben und zu verschränken. Sie läuft nun nicht mehr regelgerecht aufgespannt über den Keilrahmen, sondern auch unten hindurch. Im Ölgemälde „Windmühle“ ist die auf diese Weise sichtbar gewordene untere Keilrahmenleiste bemalt und ihr ein Klotz aufgesetzt worden. Kesting geht es offenkundig darum, die Illusion des gemalten Raumes zu erzeugen und zugleich in Frage zu stellen. Die Kunst des Dada zielte darauf ab, Realität und Bildtradition mit Lust in Stücke zu brechen und neu zusammenzufügen.
Das Besondere dieses Bildes ist die Organisation des Raumes auf eine ausgreifende Bewegung hin. Die rotierende Windmühle versetzt die kleine Welt in Chaos. Die Flügel rotieren schnell, sichtbar ist sogar ihr Fauchen: ein heller, schemenhafter Halbkreis, der die Häuser und Dächer verwirbelt. Das schief gezogene Mühlenhaus ist zum Halt mit der Dachspitze im rechten oberen Eck arretiert. Ein im Windtrichter verlängerter Flügel bildet einen mit dem Buchstaben „L“ bezeichneten weiten Bogen, der den Himmel aufreißt und wieder hinabreicht bis zu konstruktiven Details aus dem Mühlenbau. (Autor: Birgit Dalbajewa, 2018)

Aus dem Nachlass Edmund Kestings erworben von Erhard und Dorothea Löser. 1994 Schenkung