Ein Fensterausschnitt, mit Vase davor, von Gardinenfeldern umrandet, diente Hans Kinder dazu, aus diesen feststehenden Formvorgaben Farbkompositionen zu entwickeln. In der Galerie ist eine weitere Version davon erhalten. Die Reaktionen der Farben und Farbwerte miteinander sind das eigentliche Experimentierfeld. „Komplementarisation ist nicht die Synthese als Einheit von These und Antithese. Was soll aus der Synthese von Rot und Blau werden, da kann gar nichts werden. Komplementarisation ist der Prozeß, daß etwas qualitativ Neues entsteht“, erklärte der Künstler 1983 im Gespräch, als er in hohem Alter an nachkubistisch-kristallinen Farbkompositionen arbeitete, für die eine kühle, häufig auf Weiß aufbauende Farbigkeit noch immer charakteristisch war. Hier in diesem Bild trifft ein kühles, bläuliches Rosa auf bläuliches Weiß und blauviolette Töne, einige wenige Felder sind mit Akzenten in Dunkelrot oder Grünblau abgehoben.
Ein gegenständlicher Ausgangspunkt, umgesetzt in ein abstraktes Bilddenken, blieb für Hans Kinders gesamtes Schaffen typisch. Die nichtgegenständliche Malerei vom Bauhaus bis zur Nachkriegsabstraktion aufmerksam verfolgend, arbeitete der Dresdner systematisch an der Entwicklung einer eigenen Formensprache, die Kunst als ein „Stück Wissenschaft im Goetheschen Sinne“ begreifend. (Autorin: Birgit Dalbajewa, 2021)