Der Hof der ab 1838 von Gottfried Semper errichteten und 1937 zerstörten Dresdner Synagoge war durch eine helle Mauer abgetrennt, die auch das Bild in zwei Ebenen teilt. Nach hinten bildet der massive, fernöstlichen Vorbildern nachempfundene, dunkle Baukörper mit der achteckigen Mittelkuppel einen Abschluss, ganz rechts ist das Güntzbad am Elbberg noch zu erkennen.
In den farblich ausnehmend reich differenzierten Fassaden-, Rasen- und Wegflächen sind rötliche Sand- und Ziegeltöne ebenso aufgegriffen wie der Ton des trockenen Laubes. Erfasst ist der Moment, da die Gemeindemitglieder in Zylindern und pelzbesetzten Mänteln ebenso wie in traditionell orthodoxer Kleidung aus dem Hof der Synagoge strömen. Eingerahmt, gleichsam ausgerichtet sind die Gläubigen von den Vertikalen seitlich angeschnittener Gebäude. Alle Gesichter sind in gleicher Höhe angeordnet, was die für Kretzschmar typische, sich am Pinselduktus ausrichtende Statik der Figurengruppen betont. Nach Berichten des Dresdner Kunsthistorikers Fritz Löffler hatte Kretzschmar das Bild noch Jahre nach Malbeginn bis 1934 auf der Staffelei stehen. So liegt es nahe, dass Betrachtungen des kritischen Künstlers zu der immer drastischer einsetzenden Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in die ernste Grundstimmung des Bildes eingeflossen sind (Horst Zimmermann, 1989).
Text: Birgit Dalbajewa, 2021