Die strengen, sicheren Zeichnungen des heute nahezu vergessenen Erich Ockert gelangten schon früh in das Kupferstich-Kabinett Dresden, auch der ambitionierte Dresdner Sammler Fritz Glaser ließ von ihm seine Kinder porträtieren. Ockerts Bildnisse wurden vor allem aufgrund ihrer altmeisterlichen Präzision bewundert. Er schloss damit allerdings weniger an die Dresdner Eigenart der Neuen Sachlichkeit um Otto Dix an, sonder war vielmehr der Traditionslinie von Ferdinand Hodler, Albin Egger-Lienz bis hin zu Georg Schrimpf verpflichtet.
In großer Klarheit erarbeitete er mittels präziser Vorzeichnung die plastische Wirkung der Dinge, ohne eine Flächenwirkung aufzugeben. So sind im Bildnis von Ockerts siebenjähriger Tochter Annelies, die ihm immer wieder bevorzugtes Modell war, das Kindergesicht mit dem breiten Mund oder auch der Faltenwurf an den Ärmelchen des roten Kleides in harter Licht-und Schattenwirkung modelliert. Das Mädchen mit der auffällig gestreiften Schürze sitzt am Fenster, ein knapper Horizontstreifen zeigt eine Fabrik mit rauchenden Schornsteinen. Die Landschaft im Fensterausschnitt mag sich, wenn nicht auf seinen Rückzugsort im Norden Dresdens bei Weixdorf, so auf die Industriestadt Freital beziehen, wo Ockert im Malerkreis um den ebenso mit einer Fabrikdarstellung bekannt gewordenen Karl Hanusch verkehrte.
Text: Birgit Dalbajewa, 2021