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Bildnis der Gattin des Künstlers am Meer

Zwintscher, Oskar (1870-1916) - Maler
Ort, Datierung
Material und Technik
Abmessungen
210 x 92 cm
Museum
Inventarnummer
Inv.-Nr. 82/07
In diesem Bild porträtierte Oskar Zwintscher seine damals 40-jährige Frau Adele in einem langen weißen, gerade geschnittenen Gewand – schlicht, bequem und elegant im Sinne anspruchsvoller Reformkleidung – und mit einem gelben, leicht gemusterten Umhang auf den Schultern. Den Hintergrund bildet eine weite Küstenlandschaft. Die unbezeichnete Leinwand in einem ausgeprägten Hochformat, wie es Zwintscher in mehreren ganzfigurigen Bildnissen nutzte, birgt eine spannende EntstehungsgeschichteSie hängt unmittelbar mit einer ausgedehnten Ostseereise der Eheleute im späten Sommer 1912 zusammen. Über Rügen begab sich das Paar auf die dänische, bei deutschen Reisenden populäre Insel Bornholm, wo es vom 18. August bis 1. September in Sandvig in dem 1904 von einem Berliner Unternehmer errichteten Hotel Strandschloss residierte (1). »Im übrigen hat Bornholm uns den besten Eindruck hinterlassen, mir als Maler ganz besonders.« Getrübt wurden diese Impressionen aber durch anhaltend unbeständiges Wetter, »infolgedessen eine ganze Anzahl von mir bereits im Geiste gemalter Dinge auch nur Geist geblieben sind u. einen weiteren Aufenthalt in Bornholm so eigentlich zu einer künstlerischen Notwendigkeit gemacht haben. Nur 8 Blatt Aquarelle bringe ich heim u. Stoff wäre für das 3fache dagewesen. « (2) In einer Postkarte an seinen Studenten Lasar Segall erwähnte Zwintscher ebenfalls die »prachtvolle, grosse u. einsame Natur« (3). Die meisten seiner acht Studien, auf der Gedächtnisausstellung von 1916 präsentiert (4), befassten sich mit dem felsigen Nordstrand der Insel. Offenbar im Nachklang dieser Eindrücke stellte der Maler seine Frau unter einem graublau gefärbten Himmel an einer steinernen Mauer dar. Der ursprüngliche Hintergrund des Bildes liegt aber unter der aktuellen Malschicht verborgen. Dort blickte man nicht auf den flachen Meeresspiegel, sondern von einem kleinen Balkon in eine üppig bewachsene Gartenlandschaft: Dies entsprach einer Situation in Zwintschers damaligem Wohnsitz. Vor dem Wohnraum im mittleren Geschoss des Hauses befindet sich ein kleiner Balkon, der mit jenem im Ursprungsbild identisch sein dürfte. Demnach wurde die grundsätzliche Bildidee eines Porträts von Adele zwar beibehalten – auch in Positionierung und Haltung der Dargestellten –, die Kulisse aber komplett überarbeitet. Eine weitere Änderung betraf Adeles Kopfhaltung. Sollte sie zuerst aus dem Bild herausblicken, in Augenkontakt mit ihrem Gegenüber treten, änderte Zwintscher später die Vorder- in eine Profilansicht. Dabei richtete sich der Maler offenbar nach einem berühmten Lehr- und Vorlagenbuch des britischen Art Nouveau-Künstlers Walter Crane: »Line and Form«, London 1900 (dt. Fassung: Leipzig 1901) (5). Das eingangs erwähnte weiße Sommerkleid trug Adele Zwintscher auch in dem verschollenen Bild »Rosenfest « von 1915 (6). Beiden Gemälden liegen Bildfindungen des Deutschrömers Anselm Feuerbach (1829– 1880) zugrunde. Im Katalog der Gedächtnisausstellung Zwintschers 1916 bezeichnete Willy Pastor das Bildnis hingegen als »Frau am Söller« und brachte es dadurch gedanklich mit einem fast gleichlautenden Gemälde des Dresdner Romantikers Carl Gustav Carus in Verbindung (7). Zugleich birgt die Darstellung einer einsam aufs Meer hinausblickenden, offenbar wartenden Dame in weißem Gewand womöglich auch Referenzen an das symbolistische lyrische Drama »Die weiße Fürstin« von Rainer Maria Rilke. Der Text erschien u. a. 1900 in der Zeitschrift »Pan«, war Zwintscher bekannt (8) und wurde wiederum selbst inspiriert von einem Gemälde Arnold Böcklins, »Villa am Meer« (erste Version 1864, München, Schack-Galerie).
(Andreas Dehmer: 2021)

1 Postkarten von Oskar Zwintscher an seinen Bruder Rudolf; SLUB Dresden, Mscr. Dresd. App. 2479 a, Nr. 197, 22–24.
2 Brief von Oskar Zwintscher an seine Mutter; ebd., Mscr. Dresd. App. 2479 a, Nr. 212, 12. Vgl. Majerczyk 2019, S. 120– 130, zu Meeresdarstellungen des Künstlers, insbesondere der 1910er Jahre.3 Postkarte mit Motiv aus Hammershus, Sandvig, 29. 8. 1912;
Museu Lasar Segall, São Paulo, Deutschsprachige Dokumente des Lasar Segall Archivs, ALS 00006.
4 AK Dresden 1916, S. 34 f.
5 Frdl. Hinweis von Ivo Mohrmann, HfBK Dresden, 19. 9. 2019.
6 Vgl. Günther 1999, S. 85, Nr. 128; eine farbige Abbildung des lichtdurchfluteten »Rosenfests« (auf Zwintschers Gartenterrasse) in Gregori 1916, S. 485.
7 AK Dresden 1916, S. 11. Das Bild von Carl Gustav Carus gelangte allerdings erst 1914 in den Bestand der Gemäldegalerie.
8 Vgl. Nachtwey 1999, S. 38.

1982 erworben von Georg Brühl, Karl-Marx-Stadt [Chemnitz] (Brühl hatte das Gemälde in der Kunsthandlung Kühl, Dresden, erworben)

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