Ganz in den Farben der französischen Trikolore zeigt das Gemälde Otto Langes den Hafen des südfranzösischen Marseille mit dem damals berühmtesten Gebäude der Stadt: Mithilfe des Pont Transbordeur gelangten auf einer an Drahtseilen hängenden Plattform Passagiere und Fahrzeuge auf die andere Wasserseite. Bereits 1905 nach einem Entwurf des Architekten Ardinand Arnodin fertiggestellt, avancierte die Schwebefähre im Verlaufe der 1920er-Jahre zum Monument der Gegenwart, zum „Eiffelturm von Marseille“. In Deutschland beförderte 1928 das Buch „Bauen in Frankreich – Bauen in Eisen – Bauen in Eisenbeton“ von Siegfried Giedion mit dem Pont Transbordeur auf der Titelseite den Ruhm des Bauwerks, das zahlreiche prominente Fotografen anzog. Germaine Krull, Lazlo Moholy-Nagy, Eugen Batz, Herbert Beyer, Florence Henri oder Man Ray machten die Brücke durch Aufnahmen aus ungewohnten Perspektiven und in radikalen Ausschnitten zu einer der Ikonen des Neuen Sehens.
Otto Lange wählte für sein expressives Gemälde, das eine der wenigen malerischen Fassungen des Motivs darstellt, einen Standpunkt, der die Brücke in der Totale zeigt und – dem anderen Medium gemäß – weniger die technische Konstruktion als die atmosphärische Stimmung des Hafens von Marseille betont. Am 22. August 1944 wurde der Pont Transbordeur von den deutschen Besatzern gesprengt. (Autorin: Katharina Hoins, 2016)