Das Porträt gehört zu den Hauptwerken in Trübners früher Schaffensphase, in der ihm öffentliche Anerkennung weitgehend versagt blieb. Bei der Dargestellten handelt es sich um Nelly Neal, Tochter des befreundeten amerikanischen Malers David Neal und seiner aus München stammenden Frau Marie, geborene Ainmiller. Die etwa 14-Jährige wendet sich in Dreiviertelansicht dem Betrachter zu. Das hellgraue Kleid mit den dunklen Bordüren betont die Mädchenhaftigkeit ihres Körpers, der sich von dem in hellen Rot-Braun-Tönen gehaltenen Hintergrund abhebt. Ihr ebenmäßiges Gesicht beginnt seine kindlichen Züge zu verlieren. In leicht zusammengesunkener Haltung steht sie mit verlegen verschränkten Händen da und blickt, etwas gelangweilt, mit unwillig vorgeschobener Unterlippe aus dem Bild. Der Überdruss am Modellstehen ist ihr ins Gesicht geschrieben. Trübner hat in diesem Bildnis eine ganz persönliche Handschrift entwickelt: Plastische Formen und Räumlichkeit entstehen allein durch gleichmäßige, dicht nebeneinandergesetzte Pinselstriche. Fließend weiche Übergänge ersetzen die begrenzenden Linien. Nicht das Verhältnis der einzelnen Flächen zueinander wird entscheidend für die Form, sondern die Bewegung des Lichts als rhythmisches Auf- und Absteigen über der Fläche. Auf diese Weise gelangte Trübner zu einer immer helleren Farbpalette. Die Kontraste von Grau-Schwarz, Rot-Braun sowie die blitzenden Weißtöne und das warm strahlende Inkarnat von Gesicht und Händen entfalten einen reichen Farbklang. Spannungsvoll werden kleinteilig ornamentale Details – wie die weißen Kragenecken und Rüschen oder das leicht verrutschte Medaillon – eingesetzt. (Autor: Heike Biedermann, 2018)

1934 Schenkung von den Erben der Sammlung Oscar Schmitz, Dresden