Die Edition "Bahnhof (Hannover)" entstand 1967 nach einer Ansichtskarte des Hauptbahnhofs in Hannover. Die Postkare zeigt das nach fast vollständiger Kriegszerstörung wiederaufgebaute Empfangsgebäude des Bahnhofs mit dem Reiterstandbild König Ernst Augusts von 1861 und dem 1958 errichteten Brunnen von Karl Cravatzo.
Gerhard Richter adaptierte das schwarz-weiße Foto für seine Edition "Bahnhof (Hannover)". Das Motiv wurde für den Offsetdruck vergrößert und über drei Folien, die nicht deckungsgleich montiert waren, gedruckt. Daraus resultierte die Unschärfe. Die Grafik erschien im Herbst 1967 als Jahresgabe für den Kunstverein in Hannover in einer Auflage von 170 Exemplaren. Mit dem Bahnhofsvorplatz wählte der Künstler bewusst ein Motiv, das den Hannoveranern bekannt und vertraut gewesen ist. Darüber hinaus kann die Grafik als eine Hommage an den Galeristen Ernst August Haseke verstanden werden, der Richter bereits 1966 in Hannover ausstellte, Werke von ihm erwarb, den Kontakt zur hiesigen Kunstszene vermittelte und dem Maler freundschaftlich verbunden war. Und so steht auf dem Vorplatz des Bahnhofs das Ernst-August-Denkmal dem historischen Namensvettern des Galeristen Haseke. Wie der Galerist ein Anlaufpunkt für die jungen Künstler in Hannover gewesen war, so ist das Reiterstandbild bis heute einer der wichtigsten Treffpunkte in Hannover - gemeinhin bekannt als "Unterm Schwanz". Der Offsetdruck im Bestand des Gerhard Richter Archiv trägt vorderseitig die zusätzliche Widmung an den Galeristen Ernst August Haseke.
(Kerstin Küster, 2023)