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Ort, Datierung
Abmessungen
16 x 9 x 11 cm
Inventarnummer
3775 d
Sammlung Otto Link, Leipzig.

Das Reichsinstitut für Puppenspiel wurde 1939 von der Reichsjugendführung (Hitler-Jugend und Bund deutscher Mädel), der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, dem deutschen Gemeindetag und dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland gegründet. Das Institut sollte in Stuttgart, der „Stadt der Auslandsdeutschen“ angesiedelt werden. In Berlin bestand bis 1944 eine „Vorbereitungsstelle“. Leiter des Instituts war der HJ-Funktionär Siegfried Raeck, ein ehemaliger Psychologie-Student und Handpuppenspieler. Zum künstlerischen Leiter wurde der bedeutende Marionettenspieler Professor Harro Siegel (1900-1985) berufen. Für die dramaturgische Seite war Hermann Schultze verantwortlich. Hauptaufgabe des Reichsinstituts sollte die Schulung aller deutscher Berufspuppenspieler in künstlerischen Dingen, insbesondere aber in weltanschaulichen Fragen sein. Weiterhin sollte der Gedanke des Laienpuppenspiels in die Organisationen der NSDAP getragen werden. Der Kriegsausbruch behinderte die Arbeit.
Harro Siegel entwarf eine Serie von Handpuppen, die gegossen aus dem Kunststoff Labolit und als Bildhauerarbeit aus Holz erhältlich waren. Aufgrund ihrer hochwertigen Ausführung, der künstlerischen Gestaltung und der niedrigen Preise waren die Figuren sehr beliebt. Allerdings konnte der Bedarf niemals gedeckt werden. Die Karikaturen der britischen Politiker Chamberlain und Churchill wurden von dem Bildhauer Karl Fritz Riedel entworfen. Zu dem Figurensatz gehörte eine Reihe von Figuren, die für die von Hermann Schultze verantworteten Texte konzipiert waren, darunter ein Jude, John Bull, Meckerer und Spießbürger, Engländer mit Tropenhelm und Zylinder und Wehrmachtssoldaten in verschiedenen Ausführungen. Über die Verwendung der Texte des Reichsinstituts durch Berufspuppenspieler ist nur wenig bekannt. Sie erschienen teils im Eigenverlag, teils im Verlag Arwed Strauch in Leipzig. Die meisten Handpuppen wurden nach Kriegsausbruch an Einheiten der Wehrmacht und an HJ und BdM ausgeliefert. 1944 wurden die Produktion der Köpfe wie auch die Arbeit des Reichsinstituts eingestellt.

Hintergrundinformationen zum Puppenspiel im Nationalsozialismus
Gerd Bohlmeier: Das Reichsinstitut für Puppenspiel. Ein Beitrag zur Geschichte des Figurentheaters, Braunschweig 1993 (= Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, Dissertation), S. 185-239

Michael Harro Siegel: Vom Puppenspiel in Deutschland 1933 bis 1945 (Erinnerungen an die N.S.-Zeit), Frankfurt/Main 1981 (= Archiv für Puppentheatergeschichte, 2), S. 18-23

Siegfried Raeck, Hermann Schultze und Harro Siegel: Spiele und Köpfe für das Kaspertheater. Herausgegeben vom Reichsinstitut für Puppenspiel, Vorbereitungsstelle: Berlin W35, Bissingzeile 11 II, Berlin 1940, S. 15, 18

Sammlung Otto Link, Leipzig.

Otto Link (1888-1959) stammte aus Bromberg in Westpreußen, einer deutschen Stadt, umgeben von polnisch bevölkerten Dörfern. Er war Katholik und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als Lehrer in Dorfschulen setzte er sich mit den kulturellen Gegensätzen auseinander. Er konnte polnisch und verstand auch andere slawische Sprachen ein wenig. Als seine Heimat 1919 zu Polen kam, wurde er an eine Leipziger Schule versetzt. Hier entdeckte er das Puppenspiel für sich, zunächst als Laienspieler im schulischen und außerschulischen Rahmen, dann als Redakteur der Zeitschrift „Das Puppentheater“, schließlich als Sammler und Forscher. Als international vernetzter Demokrat und SPD-Mitglied wurde er 1933 gemaßregelt, behielt aber weiterhin Distanz zum NS-Regime. Nicht einmal dem NS-Lehrerbund trat er bei, was sehr ungewöhnlich war und seiner schulischen Kariere schadete. Er gab das Spielen auf und konzentrierte sich auf das Sammeln. Am 1. April 1935 begann er mit dem ersten Inventarbuch. Ohne zu werten, trug er Materialien mit nationalistischem, nazistischem, kommunistischem und demokratischem Hintergrund zusammen. 1945 wurde Otto Link als einer der wenigen unbelasteten Lehrer Schulleiter und verlor diesen Posten wieder, als er sich weigerte SED-Mitglied zu werden. 1952 übereignete er seine private Sammlung dem Land Sachsen und wurde bis zu seinem Tode erster Leiter der „Staatlichen Puppenspielsammlung Dresden“ (später Puppentheatersammlung). Nach 1945 führte Otto Link keinerlei „Bereinigungen“ seiner Sammlung aus politischen Gründen durch, da er der Überzeugung war, dass das Material der Wissenschaft unverfälscht zur Verfügung stehen muss. Kleinere Vernichtungsaktionen, Überklebungen und Ausradierungen gab es erst unter seinen Nachfolgern, die niemals eine Demokratie erlebt hatten. In Otto Links Tradition wird die Sammlung heute fortgeführt.

Creditline
Puppentheatersammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
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