Das Gemälde "Grauschlieren" (192-1) entstand im Übergang von Richters Gemälden nach Fotografien hin zu den Grauen Bildern. Letztere sind ihm so wichtig, dass er in den siebziger Jahren ein eigenes Werkverzeichnis für die zwischen 1968 und 1976 entstandenen grauen Bilder anlegte. Beginnend mit dem ersten grau übermalten "Stadtbild M8 (grau)" (170-8) von 1968 hat Richter hier nicht nur die technischen Daten aufgelistet, sondern für jedes Werk seinen individuellen malerischen Charakter registriert. Die "Grauschlieren" wurden in diesen Katalog noch nicht aufgenommen. Das Bildmotiv leitet sich aus den Vorhangbildern des Künstlers ab, die in dem Hintergrund des "Portrait Knobloch" (41), das sich ebenfalls im Gerhard Richter Archiv befindet, ihren Ursprung haben. Die perspektivischen zwischen Hell und Dunkel wechselnden "Grauschlieren" (192-1) sind jedoch eine freie malerische Abstraktion, assoziieren aber immer noch einen fotografischen Illusionismus. Richters Diktum, Fotografien mit den Mitteln der Malerei herzustellen, erfüllt selbst ein solches, nicht mehr auf eine fotografische Vorlage zurückgreifendes Motiv auf überraschende Weise. "Irgendwann befriedigte es mich nicht mehr, Fotos abzumalen; ich nahm die Stilmittel des Fotos - Genauigkeit, Unschärfe, Illusionshaftigkeit - und machte damit Türen, Vorhänge und Röhren", bestätigte Gerhard Richter im Entstehungsjahr der "Grauschlieren" die Folgerichtigkeit dieser Entwicklung für sein Werk. (Text: Dietmar Elger 2010)