Im „Dritten Reich“ wurde das Puppenspiel angesichts seines Potentials als nicht unwichtiger Aspekt der NS-Propaganda gefördert, kontrolliert und instrumentalisiert. Es wurde als „völkische“ Kunstform betrachtet, frei von „modernistischen“ Tendenzen. Eine der Hauptaufgaben des Puppenspiels während der NS-Zeit bestand in der sogenannten „Grenzlandarbeit“; daneben sollten allgemeine Kulturangebote ausgebaut und insbesondere im ländlichen Raum erweitert werden. Ab Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Truppenbetreuung und die Arbeit an der „Inneren Front“ zentrale Aufgaben des Puppenspiels. Insbesondere der relativ preisgünstige Betrieb der meisten Bühnen mit kleinem Ensemble und deren hohe Mobilität machte sie in diesem Sinne der NS-Propaganda attraktiv.

1933 war für die Puppenbühnen in Deutschland ein katastrophales Jahr. Die Arbeitslosenzahlen waren immer noch sehr hoch, und kaum jemand konnte oder wollte die wenn auch geringen Eintrittspreise aufbringen. Durch die „Gleichschaltung“, das Verbot oder die Umstrukturierung demokratischer Organisationen, fielen zahlreiche bisherige Veranstalter von Puppenspielaufführungen weg. Neue mussten sich erst bilden, so dass viele Bühnen ihren Spielbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen aufgaben. Hinzu kam der „Staatsjugendtag“, der außerschulische Veranstaltungen, zu denen das Puppenspiel gehörte, in den Schulen weitgehend unmöglich machte. Spielverbote aus politischen Gründen sind kaum belegt, dagegen solche aus rassistischen, insbesondere antisemitischen Gründen.

Ab 1933 konkurrierten zahlreiche NS-Organisationen um die Kontrolle über die Puppenbühnen. Neben dem „Kampfbund für die Deutsche Kultur“ waren dies insbesondere die regionalen Kulturabteilungen der NSDAP und das Reichspropandaministerium. Bei den Besucherorganisationen gab es die Konkurrenz zwischen der „NS.-Kulturgemeinde“ des „Chefideologen“ Alfred Rosenberg und der „NSG. Kraft durch Freude“, die der „Deutschen Arbeitsfront“ (Zwangsgewerkschaft) von Robert Ley untergeordnet war. Während Rosenberg ein eher elitäres Kunst- und Kulturverständnis hatte und nie mehr als zehn Puppenbühnen in seiner Organisation tätig waren, arbeitete die vierfache Zahl überregional für „Kraft durch Freude“ und darüber hinaus weitere Bühnen im lokalen Bereich. Da die „NS.-Kulturgemeinde“ unzureichend finanziert war, ging sie schließlich 1936/37 in „Kraft durch Freude“ auf.

Um als Künstler auftreten zu können, musste man in die Reichskulturkammer, die Propagandaminister Goebbels geschaffen hatte und streng kontrollierte, aufgenommen werden. Die Nichtaufnahme in die bzw. der Ausschluss aus der Reichskulturkammer kam einem Berufsverbot gleich. Vorsichtiger, wenn auch letztlich vergeblicher Widerstand regte sich allerdings, weil die Puppenspieler eine Fachuntergruppe Puppenspiel in der Fachschaft Schausteller bilden mussten. Der zuständige hauptamtliche Funktionär Paul Damm stammte aus einer Dynastie von Moritatensängern und hatte wenig Ahnung von Puppentheater. Die eigentliche (unbezahlte) Arbeit machte dann der Marionettenspieler Xaver Schichtl.

Puppenbühnen, die für „Kraft durch Freude“ arbeiteten, wurden hinsichtlich der Qualität ihrer Aufführungen geprüft. Weitere inhaltliche Vorgaben gab es nicht explizit, allerdings waren beispielsweise christliche Stoffe unerwünscht. Offensichtlich propagandistische Stoffe gab es zwar, doch blieben sie eher die Ausnahme. Als Carl Iwowski 1935 die beiden antisemitischen und militaristischen Stücke „In Klein-Kleckersdorf wird aufgeräumt“ und „Kasperle in Genf“ auf seiner Bühne inszenierte, wurde er dabei höchstwahrscheinlich direkt von der „NS.-Kulturgemeinde“ finanziell unterstützt. Aber aufs Ganze gesehen war solchen Stoffen beim Publikum, das gut unterhalten werden wollte, kein großer Erfolg beschert.

Zu diesem Zeitpunkt erschienen nur wenige rassistische und antisemitische Puppenspiele in Verlagen. Es gab allerdings eine Ausnahme: Der Ludwig-Voggenreiter-Verlag in Potsdam, der zunächst Literatur für die völkisch-nationalistische Wandervogelbewegung publizierte, sich ab 1933 aber konsequent nationalsozialistisch ausrichtete. Der Verlag wurde 1945 verboten, der Verleger Ludwig Voggenreiter in Buchenwald interniert, wo er 1947 starb. „Kasperle in Genf“ richtete sich gegen den Völkerbund in Genf und propagierte eine Aufrüstung der Wehrmacht. Das Puppenspiel „In Kleinkleckersdorf wird aufgeräumt“ kritisierte, dass die Entwicklung zum Nationalsozialismus oft nur oberflächlich betrieben würde. Als negatives Beispiel wird der Bürgermeister angeführt, der den Stoff für die Hakenkreuzfahne bei einem jüdischen Kaufmann erwirbt. Die Texte erschienen 1934 und wurden außer von Iwowski von keiner professionellen Bühne aufgeführt.

Für die Neuausrichtung des Puppenspiels im NS-Staat sollte ein Funktionär der Reichsjugendführung, Siegfried Raeck (1907-1945), bedeutsam werden. Er hatte bis 1934 in Wien Psychologie studiert und war nebenher als Puppenspieler durch Österreich gezogen. Raeck wollte seine Erfahrungen, die er beim Spielen gemacht hatte, in seine Abschlussarbeit einfließen lassen. Dazu kam es jedoch nicht, da er Österreich 1934 verlassen musste. In Deutschland konnte er das Studium nicht fortsetzen, da die meisten Lehrstühle für Psychologie verwaist waren. Viele Professoren waren entlassen worden oder geflüchtet. Raeck fand Arbeit in der Hitlerjugend, wo er seine Beschäftigung mit dem Puppenspiel fortsetzte. Für seinen Plan zur Gründung eines „Reichsinstituts für Puppenspiel“ gelang es ihm, eine Allianz aus Reichsjugendführung (Hitler-Jugend und Bund deutscher Mädel), der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, dem deutschen Gemeindetag und dem „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“ zu bilden. Zur Vorbereitung dieser Gründung fand im Sommer 1938 eine „Reichstagung“ in Hohnstein (Sächsische Schweiz) statt. Es war das erste und einzige Mal, dass sich die Puppenspieler der 40 wichtigsten deutschen Bühnen, die auch von „Kraft durch Freude“ eingesetzt wurden, zusammenfanden. In Hohnstein wurden die Puppenspieler erstmals ideologisch „ausgerichtet“ und in diesem Zusammenhang auch mit den Plänen für das Reichsinstitut konfrontiert.

Das Institut sollte in Stuttgart, der von der NS-Propaganda sogenannten „Stadt der Auslandsdeutschen“, angesiedelt werden. Für den architektonischen Entwurf des Institutsgebäudes (rück-)versicherte man sich gar der Zustimmung Adolf Hitlers. Die Bauarbeiten wurden mit Kriegsbeginn dann aber zunächst eingestellt und das später fertiggestellte Gebäude letztlich einer anderen Verwendung zugeführt. Jedoch bestand in Berlin bis 1944 eine „Vorbereitungsstelle“. Leiter des Instituts wurde Siegfried Raeck, bis dieser mit Kriegsbeginn als Soldat eingezogen wurde. Zum künstlerischen Leiter wurde der bedeutende Marionettenspieler und Figurengestalter Professor Harro Siegel (1900-1985) berufen. Für dramaturgische Aufgaben war Hermann Schultze (1905-1985) verantwortlich. Siegel war eher unpolitisch, ja in diesen Fragen teils naiv. Allerdings pflegte er auch nach 1933 persönliche Freundschaften in Kreisen des Widerstandes (beispielsweise mit Adolf Reichwein). Dagegen war Hermann Schultze ein überzeugter Nationalsozialist, der Chauvinismus, Rassismus, insbesondere aber Antisemitismus als Motive in das deutsche Puppenspiel einbrachte.

Hauptaufgabe des „Reichsinstituts für Puppenspiel“ sollte die Schulung aller deutschen Berufspuppenspieler in weltanschaulichen Fragen im Sinne des NS-Staates sein, wenngleich künstlerische Aspekte im geplanten Schulungsprogramm nicht fehlten. In diesem Zusammenhang sollte auch der Gedanke des Laienpuppenspiels propagiert werden, wobei man sich der bereits genannten NS-Organisationen zu bedienen gedachte. Durch den Kriegsausbruch konnten dann allerdings nur zwei Projekte verwirklicht werden, die beide im Bestand der Dresdner Puppentheatersammlung dokumentiert sind: Handpuppenköpfe und eine Reihe Texthefte. Harro Siegel entwarf dafür eine Serie von Handpuppen, die als Bildhauerarbeit aus Holz und gegossen aus dem Kunststoff Labolit erhältlich waren. Als man von Siegel Karikaturen der britischen Politiker Neville Chamberlain und Winston Churchill verlangte, verweigerte er jedoch die Entwürfe. Er erklärte, dass es sich beim Puppentheater um ein Typentheater handeln würde und er keine Karikaturen anfertigen könne. Diese wurden dann von dem Bildhauer Karl Fritz Riedel geliefert. Dass die Figuren selbst von herausragender künstlerischer Qualität waren, verstärkte deren diffamierende Wirkung im Sinne der NS-Propaganda erheblich. Zu dem Figurensatz gehörten allerdings auch eine Reihe von Figuren, die für die von Hermann Schultze verantworteten Texte konzipiert waren, darunter die Figuren „John Bull“, „Meckerer“ und „Spießbürger“ sowie „Engländer“ mit Tropenhelm und Zylinder und „Wehrmachtssoldaten“ in verschiedenen Ausführungen. Auch „Kasper“ war – ausgestattet mit einem sogenannten Schiffchen als Kopfbedeckung – als Wehrmachtsangehöriger erhältlich. Besonders problematisch war die Figur des Juden, die laut Harro Siegel zunächst nicht eingeplant war, durch den Text „Der Jude im Dorn“ von Hermann Schultze aber nicht mehr abzuwenden gewesen sei. Nach eigener Aussage schämte er sich später für den Entwurf, der von ihm in Manier des Hetzblattes „Der Stürmer“ ausgearbeitet wurde.

Diese Handpuppenserie war sehr beliebt, insbesonder weil die meisten Figuren vielfältig eingesetzt werden konnten. Es gab daher lange Lieferzeiten. Die holzgeschnitzte Ausführung wurde nach Kriegsbeginn nur noch in kleinen Stückzahlen produziert, da die Schnitzer aus der Röhn, die die Puppen herstellten, für die Rüstungsproduktion abgezogen wurden. Die Herstellung der Puppenserie erfolgte dann nur noch als Abguss aus dem „deutschen“ Kunststoff „Labolit“. Die Firma, die diese gegossenen und anschließend handkolorierten Köpfe ab 1939 in Köln-Ehrenfeld produzierte, hatte bis zu ihrer „Arisierung“ 1938 als „Kölner Kunstfigurenfabrik H. & M. Löhnberg“ bestanden. Deren Inhaber Max Löhnberg, der als Jude im Sinne der Nürnberger Rassegesetze galt, konnte zunächst fliehen und wurde seit 1939 steckbrieflich gesucht. Sein weiteres Schicksal blieb bisher unbekannt. In seinem ehemaligen Betrieb produzierte man nach der „Arisierung“ nun auch die antisemitische Judenfigur sowie weitere rassistische und diffamierende Figuren. Die Kölner Labolit-Werke wurden 1943 bei einem Luftangriff zerstört. Der Kunststoff selbst wird bis heute für verschiedene Produkte verwendet.
Über die Verwendung der Textreihen, die teils im Eigenverlag, teils im Arwed-Strauch-Verlag in Leipzig erschienen, durch Berufspuppenspieler ist nur wenig bekannt. Die meisten Handpuppen wurden nach Kriegsausbruch an Einheiten der Wehrmacht und an die NS-Jugendorganisationen HJ und BdM ausgeliefert. „Kraft durch Freude“ und die Reichskriegsmarine, die ihre Truppenbetreuung weitgehend eigenständig organisierte, boten für die Soldaten Lehrgänge an, in denen sie die Technik des Handpuppenspiels erlernen konnten. Die Puppen wurden – abgesehen von den explizit nazistischen Figuren – auch noch nach dem Krieg von Amateur- und Berufspuppenspielern benutzt. Die ikonografisch als NS-Figuren klar erkennbaren Puppen wurden zwar nicht mehr zum Spiel verwendet, aber offenbar auch nicht immer vernichtet. Noch 1946 konnte der Gründer der Dresdner Puppentheatersammlung, Otto Link, im Leipziger Kaufhaus Althoff einen Kopf der Figur „Churchill“ erwerben.

Das „Reichsinstitut für Puppenspiel“ musste seinen Betrieb während des Krieges immer mehr einschränken. Für dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bot seine Existenz dennoch einen gewissen Schutz vor Einberufung zur Wehrmacht oder vor einer Dienstverpflichtung. In den letzten Monaten des Bestehens wurden die noch vorhandenen Restbestände der Köpfe bemalt und teils auch ausgeliefert. Harro Siegel wechselte 1944 nach Braunschweig. Das Gebäude der in Berlin bis dahin noch bestehenden Vorbereitungsstelle wurde kurze Zeit später durch Luftangriffe zerstört, was auch die Existenz des Reichsinstituts faktisch beendete.

Versucht man ein Fazit, wäre wohl zu konstatieren, dass die Wirkung des „Reichsinstituts für Puppenspiel“ im Gesamtsystem der NS-Propaganda eher gering blieb. Seine eigentliche Bedeutung hätte es nach der Logik des NS-Staates nach dem „Endsieg“ entfalten sollen. Insbesondere die weltanschaulichen Schulungen und die Begutachtungen von Puppen, Texten und Inszenierungen wären geeignete Instrumente zur Durchsetzung nationalsozialistischer Ideologien im Puppenspiel gewesen.

Lars Rebehn


Literatur
Gerd Bohlmeier: Puppenspiel 1933 - 1945 in Deutschland. Das Puppenspiel im Dienste der nationalsozialistischen Ideologie in Deutschland, Bochum 1985 (= Puppenspielkundliche Quellen und Forschungen, 9).
Gerd Bohlmeier: Das Reichsinstitut für Puppenspiel. Ein Beitrag zur Geschichte des Figurentheaters, Braunschweig 1993 (= Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, Dissertation).
Walter Kipsch: Bemerkungen zum Puppenspiel. 1936 - 1990 (eine Auswahl), Frankfurt am Main 1992.
Lars Rebehn: Die Entwicklung des Marionettenspiels vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Olaf Bernstengel und Lars Rebehn (Hg.): Volkstheater an Fäden. Vom Massenmedium zum musealen Objekt - sächsisches Marionettentheater im 20. Jahrhundert, Halle (Saale) 2007, S. 76-159.
Michael Harro Siegel: Vom Puppenspiel in Deutschland 1933 bis 1945 (Erinnerungen an die N.S.-Zeit), Frankfurt/Main 1981 (= Archiv für Puppentheatergeschichte, 2).
Manfred Wegner, Mascha Erbelding und Hana Ribi: Handbuch zum künstlerischen Puppenspiel 1900-1945. Deutschland, Österreich, Schweiz. Handpuppen- und Marionettenspiel, München 2019.
Siegfried Raeck, Hermann Schultze und Harro Siegel: Spiele und Köpfe für das Kaspertheater. Herausgegeben vom Reichsinstitut für Puppenspiel, Vorbereitungsstelle: Berlin W35, Bissingzeile 11 II, Berlin 1940.

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