Abbildung: Aquarell der Gboɣno Zipligu in der Ausstellung “Forschung ausstellen - Ausstellen als Forschen: Das Projekt im ‘Prep Room’”, Eröffnung 5. Oktober 2022. Illustration: Madóu Ghosh im Auftrag des GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Diese Kollektion enthält 700 Objekte und Fotografien, deren Provenienz im vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt "Provenienz von kolonialzeitlichen Sammlungen aus Togo im Museum für Völkerkunde Dresden und im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig (Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen)" erforscht wurde. Wir haben uns als Projektteam bewusst dagegen entschieden, Abbildungen der Objekte oder Fotografien online zu stellen, da es sich um koloniale Fotografien und bei vielen um sensible Objekte handelt, die teils als nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gelten. Bei begründetem Interesse können die Abbildungen über ein Kontaktformular angefragt werden.
Beschafft und aufgenommen wurden die Objekte und Fotografien zu einem großen Teil im Kontext der deutschen Kolonialherrschaft in Togo von 1884 bis 1914. Die deutsche Kolonie „Togoland“ umfasste das Gebiet des heutigen Staates Togo sowie Teile des heutigen Ghana. Somit thematisieren wir in der Kollektion explizit koloniale Gewalt und rassistische Diskriminierung. Wir möchten darauf hinweisen, dass einige der angesprochenen Inhalte schmerzhafte Emotionen auslösen können. Wir möchten eine lernende Institution sein: Bitte kommen Sie auf uns zu, wenn Sie Kritik haben.
Lassen sich diskriminierende Begriffe nicht vermeiden, weil sie Teil des von dem/der Künstler:in vergebenen Titels oder überlieferter Beschreibungen sind, so bietet die Datenbank die Funktion, diese Wörter online auszublenden und durch drei Asterisken als Platzhalter zu ersetzen. Nutzer:innen der OC entscheiden im Einzelfall dann selbst, ob sie sich diese Begriffe nach Einblendung eines entsprechenden Hinweistextes anzeigen lassen möchten oder nicht.
Die 700 für das Projekt ausgewählten Inventarnummern stammen aus insgesamt acht Konvoluten, zwei aus dem Museum für Völkerkunde Dresden und sechs aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Sie wurden von acht unterschiedlichen Akteuren im Zeitraum von 1899 bis 1939 als Ankäufe oder Schenkungen an die ethnologischen Museen in Dresden und Leipzig übereignet. Es handelt sich hierbei um folgende Personen, die teils Militärs, Kaufleute, Missionare und Kolonialbeamte waren, die im Rahmen von Annektierungsfeldzügen und kolonialer Kriegshandlungen, der Errichtung von Handelsstützpunkten und Missionierung in der Kolonie agierten: Ernst F. Gütschow (1869-1946); Oskar Marx (1862-1924); Harry Grunitzky (1873-1912); Adolf Diehl (1870-1943); Hans Gruner (1865-1943); Valentin von Massow (1864-1899); Gaston Thierry (1866-1904) und Adam Mischlich (1864-1948).
Die Biografien und Routen dieser Akteure hat das Team im Projekt genau erforscht. Das Ziel dabei war, Rückschlüsse auf die Erwerbs- und Aneignungsumstände der von ihnen beschafften Objekte zu erhalten. Hierbei wurde das Augenmerk im Projekt auf Aneignungen im Kontext militärischer Gewalt sowie auf Objekte gelegt, die als besonders sensibel im Sinne eines besonders rücksichtsvollen Umgangs mit ihnen gelten könnten. Um die Provenienz der Objekte mit Fokus auf die Kontexte ihrer Aneignung zu erschließen, verfolgten wir methodisch einen doppelten Ansatz. Zum einen ging es uns darum, die Biografien der Kolonialakteure und ihre konkrete Einbindung in das Kolonialsystem nachzuvollziehen. Zum anderen verfolgten wir einen “objekt”biografischen Ansatz. Die Arbeit, die im Depot stattfand, war in erster Linie auf die Bestimmung von Materialien, Technik, Formgestaltung, Funktion und Herkunft der “Objekte” ausgerichtet. Für diese Arbeit standen also die Objekte selbst als historische Wissensbestände im Vordergrund. Bei der Arbeit an und mit den Objekten lag ein Hauptaugenmerk auf der Frage, welche Rückschlüsse wir in Bezug auf deren genaue Herkunft und ihrer spezifischen Gebrauchskontexte ziehen können.
Die Forschungsergebnisse sind für alle ausgewählten Objekte und Fotografien in der Online Collection verzeichnet. Des Weiteren wurde der Abschlussbericht des Projektes einerseits in der Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste Proveana sowie in einer kürzeren Fassung auf Deutsch, Englisch und Französisch veröffentlicht.