In den historisch gewachsenen Beständen von Museen befinden sich Werke, deren Herkunft „ungeklärt“ ist. In den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) ist deren prozentualer Anteil am Gesamtbestand zwar nicht erheblich; Gegenstand intensiver und zeitaufwändiger Recherchen sind sie dennoch. Denn gerade für diese Bestandsgruppen stehen öffentliche Sammlungen und deren Träger vor der ethisch-moralisch, juristisch und politisch intendierten Verpflichtung, das historische Unrecht, in deren Ergebnis solche Werke in die Sammlungen gelangten, aufzuklären und nach Möglichkeit wiedergutzumachen.

Die Feststellung, dass sich insbesondere die Provenienzforschung der Herkunft solcher Werker widmet, ist nur auf den ersten Blick trivial. Denn ein ganz differenziert abgestufter Grad von Kenntnissen, die sich hinter dem Begriff „ungeklärt“ verbergen können, sowie sehr differenzierte historische Kontexte, in denen Werke ungeklärter Herkunft in die Sammlungen gelangten, führen die Forschung auf höchst unterschiedliche historische Fährten, die je eigene Rechercheansätze und Methoden erfordern, die teils erheblich voneinander abweichen können.

Gemessen an der Anzahl der fraglichen Werke, der moralischen und politischen Relevanz sowie dem juristischen Regelbedarf sind die drei wichtigsten dieser historischen Fährten:

- die rassistisch und politisch motivierte Verfolgung von Opfergruppen während der NS-Zeit,
- die Bodenreform/Schlossbergung in der SBZ ab Herbst 1945
sowie
- Verfolgungs- und Entziehungskontexte während der DDR-Zeit.

Bei Werken, die aus NS-verfolgungsbedingtem Entzug stammen (könnten), ist nicht selten der unmittelbare Voreigentümer bekannt, der aber häufig bereits vom NS-Unrecht profitierte. Entscheidend für faire und gerechte Lösungen solcher Fälle im Sinne der Washingtoner Prinzipien, also ggf. auch der Restitution des fraglichen Werkes, ist aber die sichere Identifizierung der NS-Opfer, denen das Werk entzogen wurden. Diese zu ermitteln, kann ausgesprochen schwierig sein, nicht zuletzt wegen der Absicht einer bewussten Verschleierung der Provenienz durch NS-Behörden oder durch Nutznießer der NS-Politik. Selbst wenn also ein verfolgungsbedingter Entzug von Kunstwerken im Bestand der SKD naheliegt oder gar wahrscheinlich ist, kann die Herkunft des Werken dennoch „ungeklärt“ sein in dem Sinne, dass mitunter nur sehr schwer zu ermitteln ist, wem das Werk verfolgungsbedingt entzogen worden ist.

Im Kontext der Bodenreform/Schlossbergung in der SBZ ab Herbst 1945 ist zwar in der Regel ein Zusammenhang des Zugangs von Werken aus der Schlossbergung wahrscheinlich oder sogar sicher nachzuweisen. Für eine erhebliche Anzahl dieser Werke kann jedoch deren sichere Zuordnung zu einem konkreten Herkunftsort – und damit die abschließende Bearbeitung des Werkes im Sinne des EALG – in all jenen Fällen schwierig werden, in denen die Kenntnis dieses Herkunftsortes bereits bei der Enteignung oder unmittelbar danach verloren gegangen war, also bevor museale und kunstwissenschaftliche Kompetenz nicht nur die Werke selbst sichern konnte, sondern auch die Kenntnis über deren Herkunft. Solche Werke werden durch die Provenienzforschung der SKD unter dem Attribut der „unbekannten Schlossbergung“ geführt, bis ihre genaue Herkunft ermittelt werden kann. Wegen der häufig eher minderen Qualität dieser Werke, die in der historischen Überlieferung deshalb kaum nennenswerte, für eine Identifizierung ausreichende Spuren hinterlassen haben, steht jedoch zu befürchten, dass deren Provenienz mitunter wohl nicht mehr geklärt werden kann, also offenbleiben muss.

Werke, die neben regulären Ankäufen und Schenkungen zwischen dem 7. Oktober 1949 und dem 3. Oktober 1990 in den Bestand der SKD gelangten, wurden meistens von Gerichten, Behörden oder anderen staatlichen Stellen (auch Museen), nur sehr selten dagegen von Privatpersonen „überwiesen“. Viele davon stammen aus Verwaltungsakten oder gehen auf Gerichtsentscheidungen zurück, die heute als grob rechtsstaatswidrig beurteilt werden. Allerdings ist eine nicht unerhebliche Anzahl von Zugängen dieser Zeit auch von der damit von Fall zu Fall befassten Judikative der Bundesrepublik seit dem 3. Oktober 1990 nicht beanstandet worden, dürfte also offensichtlich als rechtsstaatskonform zu beurteilen sein. Dieser Ambivalenz trägt die Provenienzforschung der SKD Rechnung, indem Zugänge der sammlungshistorischen Epoche 1949-1990 unter der Kategorie „DDR-Recht/-Unrecht“ zusammengefasst und bearbeitet werden. Darunter befinden sich zahlreiche Werke, deren Herkunft „ungeklärt“ ist. Auch hier waren nämlich die überweisenden Behörden aus verschiedenen Gründen häufig nicht daran interessiert, die Voreigentümer den Museen gegenüber offen zu kommunizieren. In Fällen von „Republikflucht“ in den 1950er und frühen 1960er Jahren wurde das von den Betroffenen zurückgelassene Eigentum unter staatliche Treuhand gestellt, mitunter auch „verwertet“, also verkauft. Darunter befindliche Kunstwerke gelangten auch in die Museen der DDR, ohne dass zum Zeitpunkt der Überweisung die Voreigentümer noch bekannt gewesen wären.

Ein umfangreiches Konvolut von mehreren hundert Werken gelangte in die SKD, als im Frühjahr 1990 das zentrale Lager der Kunst&Antiquitäten GmbH in Mühlenbeck bei Berlin aufgelöst wurde. Mit Sondermitteln in erheblicher Höhe, die das Ministerium für Kultur der DDR – kurz vor der bereits fest für den 1. Juli 1990 geplanten Währungsreform – in Mark der DDR zur Verfügung stellte, erwarben die SKD neben anderen Leitmuseen der DDR Lagerbestände aus Mühlenbeck. Obwohl ein umfangreicher Bestand von Geschäftsakten der Kunst&Antiquitäten GmbH nach jahrzehntelangen Bemühungen für die Öffentlichkeit gesichert werden konnte, inzwischen verzeichnet und im Bundesarchiv Berlin auch benutzbar ist, konnte bisher noch für keines der seinerzeit aus Mühlenbeck angekauften Werke der Voreigentümer ermittelt werden. So muss auch dieses gesamte Konvolut vorläufig der Kategorie „ungeklärte Herkunft“ zugeordnet bleiben.

Neben all den genannten gibt es im Bestand der SKD aber auch einige wenige Werke, deren Herkunft völlig ungeklärt ist, für die also noch nicht einmal eine mögliche historische Fährte vermutet werden kann, auf der eine Provenienzrecherche sinnvoll zu beginnen wäre. Mitunter befinden sie sich bereits seit 100 Jahre oder länger im Bestand. Da sie auch keinem abgeschlossenen oder laufenden Verfahren nach EALG oder Vermögensgesetz zugeordnet werden können, gelten sie bis zum Beweis des Gegenteils als unbestrittenes Eigentum des Freistaates Sachsen. Wenn auch die Erfolgsaussichten sehr gering sind, bleiben solche Werke auf der Agenda der SKD-Provenienzforschung. Denn auch wenn sie aktuell nicht Gegenstand von Restitutionsverhandlungen sind und dies nach Lage der Dinge auch künftig mutmaßlich nicht werden dürften, bleibt die Aufdeckung ihrer Provenienz schon aus sammlungshistorischem Interesse wünschenswert.

(Thomas Rudert)

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