Ist das jetzt ein Mann oder eine Frau? Die Antwort erhält man bei einem Streifzug durch die Museen Europas: Außer dem Dresdner Kopf gibt es noch über 50 weitere antike Skulpturen, die alle einen Kopf mit Mittelscheitelfrisur zeigen, der mit einem Kranz aus Efeublättern und -beeren geschmückt ist und auf dem ein Arm – es ist immer der rechte – ruht. Alle diese Köpfe gehören, wie aus den erhaltenen Körpern hervorgeht, zu Statuen des sich ausruhenden Dionysos, der entweder nackt ist oder ein Tierfell trägt und neben dem gelegentlich ein kleiner Satyr steht, auf dessen Schulter der Gott seinen linken Arm ablegt. Standmotiv und Körperbildung dieser Dionysos-Statuen sind einem statuarischen Typus entlehnt, der Apollon zeigt und in den 30er Jahren des 4. Jh. v. Chr. in
Athen kreiert worden ist (Apollon Lykeios; s. die Statue Inv. Hm 127). Den zumeist in Griechenland ansässigen Bildhauern der Dionysos-Statuen standen Gipsabgüsse dieser Statue des Apollon zur Verfügung, die sie in der Regel maßgleich – im Fall des Dresdner Dionysos in leicht verkleinerter Form – in Marmor übertragen haben. Die Frisur des Apollon wurde jedoch verändert und um eine Binde sowie um Blätter bereichert; das für Apollon charakteristische Attribut, der Bogen, wurde durch ein zu Dionysos passendes Attribut, etwa ein Trinkgefäß, ersetzt. Weitere Attribute des Dionysos, wie zum Beispiel ein Rebstock oder ein Panther, konnten an oder neben der Statuenstütze angebracht werden.