Das Gemälde auf Leinwand von Fre Heywat dokumentiert detailgetreu den Empfang der Geistlichkeit und europäischer Gesandtschaften bei Kaiser Menelik II. zum äthiopischen Neujahr. Das Neujahr beginnt in Äthiopien im September und bezieht sich sowohl auf die Rückkehr der Königin von Saba aus Jerusalem als auch auf die Ankunft des Kreuzes Christi in Äthiopien. Prozessionen und Priestertänze begleiten die Festlichkeiten.
Im oberen Teil des Bildes stehen festlich gekleidete Priester mit Priesterkronen, Weihrauchgefäßen und Handkreuzen, in der unteren Bildhälfte versammeln sich musizierende, tanzende und singende Dabtera. Gut sind alle kirchlichen Musikinstrumente wie Sistrum, Trommel und Gebetsstock zu erkennen. Unmittelbar unter dem thronenden Kaiser Menelik, der in seiner typischen Kopfbedeckung, dem weißen Kopftuch, abgebildet ist, wurde der ägyptische Patriarch und Oberhaupt der äthiopischen Kirche, Abuna Kyrillos, mit einem Handkreuz dargestellt. Die Übergröße kennzeichnet ihn wie auch Menelik als die wichtigsten Personen auf dem Bild. In der Mitte ist eine große Gruppe von Europäern und sogar eine europäische Dame zu sehen, die Kaiser Menelik ihre Aufwartung machen. Das Bild von Fre Heywat stärkt die Vermutung, dass er am Hofe des Kaisers malte und wichtige Ereignisse dokumentierte. Mit Gemälden dieser Art erwiderte Menelik insbesondere auch Gastgeschenke der europäischen Diplomaten. Heywat hatte schon um 1910 die strikt kirchlich orientierte Malerei zugunsten einer neuen Nachfrage, die mit der Ankunft und Anwesenheit der Europäer in Addis Abeba im Zusammenhang steht, aufgegeben. Mit der Änderung des Zwecks der Malerei – ob für den Hof oder im Auftrag von Europäern – fand Anfang des 20. Jh. ein inhaltlicher wie ein formeller Wandel der Malerei statt. (Silvia Dolz, 2006)