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Ort, Datierung
Afrika, Ghana, Landschaft Adjuti [Atwuti, Atjuti], vor 1904
Abmessungen
Tasche mit Inhalt: 75 x 27 x 10,5 cm
Inventarnummer
MAf 09606
Dieses Objekt ist Teil der Kollektion des Projektes "Provenienz von kolonialzeitlichen Sammlungen aus Togo”: Link der Kollektionsseite.

Im Jahr 1904 schenkte Adam Mischlich dem MVL acht Objekte, die laut seiner eigenen Aussage im Zusammenhang mit einem sogenannten Odom-Baum und dessen religiöser Nutzung stehen sollen (MVL 1904/46, Adam Mischlich). Es handelt sich um drei Taschen und fünf Stöcke. Sie stammen laut Katalogzetteln alle angeblich aus der "Landschaft Adjuti" (auch Atwuti oder Atjuti geschrieben) im heutigen Ghana. Die “Landschaft Adjuti” findet sich nicht auf heutigen Karten, wird aber im Tagebuch Valentin von Massows zweimal erwähnt (Sebald 2014). Laut von Massow bezieht sich die Landschaft auf ein Gebirge westlich der Orte Tutukpene und Katchebi in Ghana. In einem Brief vom 10. April 1904 an das MVL vermittelte Mischlich sein Verständnis von der “Odom-Praxis“. Laut Mischlich soll “Odom” der Name eines Baumes, aus dessen Wurzeln ein Gift produziert werden kann, und das “Odom-Geben” ein Ritual der Glaubensgemeinschaft Buruku, die ihren Sitz in „Liane, Hauptstadt von Atwuti, Togo-Hinter-Land“ haben soll. Jeder Priester ist, so Mischlich, mit „Odom-Tasche & Odom-Stock ausgerüstet“. Wenn der Priester einer beschuldigten Person das Gift zu trinken gibt und diese daran stirbt, gilt die Schuld als bewiesen. Wenn die Person überlebt, ist diese unschuldig. Weiter schreibt Mischlich, dass das „Odom-Geben“ 1898 verboten worden sei und das Ende 1903 Priester, die das Verbot angeblich nicht eingehalten haben, bestraft wurden. (MVL 1904/46, Adam Mischlich)
Dr. Ohiniko M. Toffa zufolge stellen diese Objekte heilige Gegenstände dar und es ist schwierig, das von Mischlich beschriebene Ritual historisch und jenseits der kolonialen Quellen nachzuvollziehen und genau festzustellen, worauf “Odom” zurückzuführen ist. Laut Jean-Claude Barbier existiert eine Bevölkerungsgruppe mit dem Namen Odomî in “Adjuti”. Nach unserem aktuellen Wissensstand gab es keinen Priester Buruku, aber einen Gott Burunku, der ein Dorf der “Adjuti Landschaft” namens Siare beschützte. Burunku soll einen Gründungsgott des “Adjutilandes” an der heutigen Grenze zwischen Togo und Ghana darstellen. (Barbier 1995)
Die Bedeutung der Objekte und ihre Wegnahme war Mischlich durchaus bewusst. In einem Brief an das MVL schreibt er, dass beim “Erwerb” der sensiblen Objekte “alle Vorsicht anzuwenden” ist, da diese “für die Eingeborenen von sehr großem Wert” und “unersetzlich für sie” seien. Im selben Brief macht Mischlich deutlich, dass sich der Widerstand der lokalen Bevölkerung in den Kolonien nur durch die Wegnahme der religiösen Objekte brechen lässt. (MVL 1906/41, Adam Mischlich) Adam Mischlich (1864-1948) arbeitete ab 1890 als Missionar für die Basler Mission erst an der Goldküste (Ghana) und ab 1894 in Togo. Nachdem er 1897 aufgrund eines sexualstrafrechtlichen Skandals aus der Basler Mission ausschied (Erbar 1991), trat er in den Dienst des Gouvernements Togo. 1898 übernahm er die Leitung der Station Kete-Kratschi (heute Kete Krachi, Ghana) und 1913 die der Station „Misahöhe“ (bei Kpalimé, Togo). Die Unterdrückung der lokalen Bevölkerung als auch die Ausführung der kolonialen Gerichtsbarkeit unterlagen ihm als Stationsleiter. (Meyer-Bahlburg 1994) Als Afrikanist führte er sprachwissenschaftliche Studien in Zentral- und Nord-Togo, vor allem des Hausa, durch und veröffentlichte diese in Missionsblättern und den „Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten“. Uns sind bisher keine militärischen Aktivitäten Mischlichs bekannt, was nicht heißt, dass nicht auch er potenziell an kriegerischen Auseinandersetzungen und Plünderungen der Bevölkerung beteiligt war. Des Weiteren war es nicht unüblich, dass die kolonialen Akteure sich gegenseitig Objekte schenkten, verkauften oder tauschten. Durch Adam Mischlich (bzw. von Mischlich an das Museum für Völkerkunde Berlin und anschließend an das Museum für Völkerkunde Leipzig) kamen insgesamt 494 Objekte an das Museum, von denen aktuell 35 als vermisst gelten.
Wenn wir davon ausgehen, dass eine religiöse Autorität eine Tasche und einen Stock besaß und es sich bei den von Mischlich beschafften Objekten um drei Taschen und fünf Stöcke handelt, kann darauf rückgeschlossen werden, dass es sich um bis zu fünf bis neun ehemalige Besitzer*innen handelt, denen diese Attribute gehörten. Aufgrund ihrer angenommenen religiösen Bedeutung scheint es unwahrscheinlich, dass die Eigentümer*innen diese freiwillig abgegeben haben. Die Aussage, dass die Kolonialverwaltung das angebliche “Odom-Geben” unter Strafe stellte, nutzte Mischlich möglicherweise als offizielle Handhabe, um sich diesen Objekten zu ermächtigen und sie an deutsche Museen zu übergeben. Die Herkunft dieser Gegenstände liegt auf jeden Fall in der heutigen Gegend östlich von Tutukpene und Katchebi an der Grenze zwischen Togo und Ghana. (MVL, Marlena Barnstorf-Brandes, 19.07.2023)
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