Vorschaubild des Elementes mit der Inventarnummer MAf 27686
Ort, Datierung
Afrika, Tansania, Kilimanjaro Region, (Old) Moshi, vor 1893
Abmessungen
H: 6 cm; Ø 1,5 cm
Inventarnummer
MAf 27686
Schon vor der deutschen Kolonialzeit wurde Tabak am Kilimanjaro in kleinen Mengen angebaut. Auch heute ist dies dort noch üblich. Vermutlich war die Pflanze über portugiesische Seefahrer vom amerikanischen Kontinent nach Ostafrika gelangt und hatte sich durch arabische Händler über die Karawanenroute bis an den Kilimanjaro verbreitet. Der Tabak wurde geraucht, geschnupft oder gekaut. Schnupftabak wurde häufig in einem verschlossenen, oft mit Glasperlen verzierten Kuhhorn (Ombe) an einer Kette um den Hals getragen. Ähnliche Behälter konnten auch für Schießpulver oder Pfeilgift benutzt werden. Mit der Verbreitung von Hinterladergewehren in der deutschen Kolonialzeit wurden gelegentlich leere Patronenhülsen für diese Zwecke aufgewertet.
Dieser Tabakbehälter aus einer Patronenhülse gelangte durch Albert Schrenck von Notzing ins Museum für Völkerkunde Leipzig. Er gehörte seinen Angaben zufolge Mangi Meli, dem Herrscher von Moshi am Kilimanjaro. Schrenck von Notzing war als Adjutant des Gouverneurs Friedrich von Schele am Kriegszug gegen Mangi Meli beteiligt. Mangi Meli und seine Krieger hatten 1892 einen Angriff der deutschen Invasoren zurückgeschlagen und den Kilimanjaro zeitweise von der Kolonialmacht befreit. Möglicherweise stammt auch diese Patronenhülse (wie MAf 08237) aus dieser Schlacht. Sie wurde vermutlich von einem Künstler aus Moshi umgearbeitet, mit importierten Glasperlen versehen und möglicherweise von Mangi Meli getragen. Ein Jahr später zog Gouverneur Schele mit einer Übermacht der sog. „Schutztruppe“ im Verbund mit lokalen Wachagga-Kriegern gegen Moshi und besiegte Mangi Meli. Im Kontext dieser Schlacht vom 12.08.19893 eignete sich Schrenck von Notzing etliche Objekte an, einige davon explizit als Kriegsbeute. Andere Objekte verzeichnete er als „Geschenk“ Mangi Melis, so auch diesen Tabakbehälter. Schrenck von Notzing überließ manche der Objekte dem Leipziger Museum für Völkerkunde zunächst unter „Eigentumsvorbehalt“, bevor sie nach dessen Tod ans Museum verkauft wurden.
Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Mangi Meli diese persönlichen Gegenstände freiwillig an seine Gegner abgab. Um am Leben zu bleiben und den Titel Mangi behalten zu dürfen, musste er die Bedingungen des Gouverneurs akzeptieren, die u.a. die Abgabe von Gewehren und großer Mengen sog. „Strafelfenbeins“ vorsahen. Mangi Meli lebte nach seiner Niederlage unter strikter Kontrolle der deutschen Besatzungsmacht und wurde schließlich 1900 mit 18 weiteren Anführern gehängt. Sein Haupt und weitere Ancestral Remains der Hingerichteten wurden mutmaßlich nach Deutschland verschifft. Noch heute warten Nachfahren auf deren Rückkehr.


Die Recherche zu diesem Objekt fand im Rahmen der mobilen Recherche-Ausstellung „MAREJESHO“ von Flinn Works, Berlin Postkolonial und Old Moshi Cultural Tourism am Kilimanjaro und Meru statt. Ziel des Projekts war es, Mitglieder der Gemeinschaften am Kilimanjaro und Meru (Tansania) über in der Kolonialzeit verschleppte Ahnen (Ancestral Remains) und Objekte zu informieren, die sich in deutschen Museumssammlungen befinden. Besucher*innen der Ausstellung teilten ihr Wissen wiederum mit dem Team von „MAREJESHO“. Vertreter*innen der Gemeinschaften fordern eine Repatriierung der Ahnen und eine Restitution der Objekte.
(Konradin Kunze, 12.05.2023)
Kultureller Kontext
Dschagga (Herstellung)
Reproduktion
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