Vorschaubild des Elementes mit der Inventarnummer Ca 156

Mutter mit Sohn an der Hand und Blumenkorb (Mu zi hualan tu 母子花篮图)

unbekannt, chinesisch, 18. Jh. - Hersteller
Dieses Objekt wurde 2021/2022 in der Ausstellung „La Chine. Die China-Sammlung des 18. Jahrhunderts im Dresdner Kupferstich-Kabinett“ gezeigt. Die Kommentare zu allen enthaltenen Werken werden hier in der gleichnamigen Kollektion online publiziert.
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"Es besteht keine absolute Gewissheit, dass sich dieses Rollbild bereits vor 1738 in der kurfürstlichen Sammlung befunden hat. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dies jedoch der Fall. Dem Rollbild „Chinesische Dame mit einem Papagei“ (Ca 159) kann die Nummer 42 im Inventar von 1764 und 1738 – in dem diese Nummer vergessen wurde – zugeordnet werden. 1764 (und dementsprechend auch bereits 1738) (Anm. 1) lautet der Eintrag dazu: „Chinesische Stücke in Rollen“, also Rollbilder, „drey Chinesische Zeichnungen auf Leinwand gezogen“. Eine davon ist Ca 159, eine zweite dürfte die hier vorliegende Zeichnung sein. Ein späteres Nummerierungssystem der Sinica in römischer Zahlschrift bezeichnet beide mit den unmittelbar aufeinanderfolgenden Nummern XXXII und XXXIII, so dass anzunehmen ist, dass die beiden Rollen (und eine dritte) stets als Einheit behandelt worden sind.
Die Umrisslinien, Hauptlinien, Haare, Bordüren und alle Schraffierungen sind in Holzschnitt in unterschiedlichen Schwarz- und Grautönen ausgeführt, während alle Farben mit dem Pinsel gezeichnet wurden.
Die Darstellung weist sowohl chinesische als auch europäische Elemente auf und ist thematisch und technisch eindeutig durch europäische Grafik beeinflusst worden. Die Frau trägt ein Kleid mit einem chinesischen Mantel (beizi 禙子) darüber. An ihrem roten Gürtel hängt ein Jade-Ornament (yupei 玉佩), das häufig bei Frauendarstellungen der sogenannten Gusu-Drucke (Holzschnitte aus Suzhou) anzutreffen ist. Auch die Blumenbordüre am Saum und der Blumenkorb lassen sich in vergleichbaren Darstellungen finden (Anm. 2). Der Schleier hingegen ist eine europäische Zutat, die Frisur kombiniert chinesische und europäische Elemente. Ebenso wirken die Gesichter von Frau und Junge trotz chinesischer Augen- und Mundformen durch die angedeuteten Rundungen und Schattierungen eher europäisch. Die Frisur und Kleidung des Jungen entsprechen europäischer Mode. Die Darstellung von Licht und Schatten und die Dreidimensionalität der Gewandfalten gehen auf europäische Vorbilder zurück.
Auch das Sujet vereint eine Gusu-Schönheit und das Bild einer christlichen Märtyrerin, der heiligen Dorothea. Laut Legende überbrachte ihr ein Knabe als himmlischer Bote Christi einen Korb mit Äpfeln und Rosen. In der westlichen Kunst ist sie daher häufig dargestellt mit einem Jungen oder dem Christusknaben, der ihr einen Rosenkorb reicht (Anm. 3).
Es ist vorstellbar, dass das Bild durch einen chinesischen katholischen Künstler angefertigt wurde. Seit 1692 erlaubte Kaiser Kangxi die Ansiedlung von Christen in China. Ausgehend von der Gegend um Jiangnan im Südosten Chinas verbreitete sich der Katholizismus in den folgenden 30 Jahren auch in Suzhou und Umgebung (Anm. 4). Dort entstanden über 300 Kirchen und etwa 20000 Chinesen konvertierten zum Katholizismus, darunter auch einige namentlich fassbare Künstler wie Ding Yuntai (丁允泰) und Ding Liangxian (丁亮先) (Anm. 5). Die Jesuiten brachten Kupferstiche mit christlichen Darstellungen und illustrierte Bücher, die den lokalen Künstlern als Vorbilder dienten.
Insbesondere der Knabe erinnert vom Stil her an indo-portugiesische oder hispano-philippinische Elfenbeinstatuetten des 17. und 18. Jahrhunderts mit der Darstellung des Christusknaben (Anm. 6). Diese wurden vor allem in Goa hergestellt und könnten über die portugiesische Kolonie Macao auch nach Suzhou gelangt sein.
1747 verbot Kaiser Qianlong den katholischen Glauben und vertrieb die Jesuiten aus Suzhou. Daher verschwanden in den 1750er Jahren auch die Holzschnitte im westlichen Stil; Bilder mit christlicher Thematik wurden zerstört. Möglicherweise ist das vorliegende Werk der einzige erhaltene Gusu-Druck mit der Darstellung einer christlichen Heiligen.

(1) Die Beschreibungen und Nummerierungen der chinesischen Werke stimmen in beiden Inventaren ausnahmslos überein.
(2) Vgl. Blumenbordüre in „Guanyin mit zwei Jungen“ (Song zi Guanyin tu 送子观音图), und Fischkorb in „Glücklicher Fischfang“ (yu le tu 鱼乐图), Holzschnitte aus Suzhou um 1700, Privatsammlung Japan, in: Feng, Jicai / San, Shanling: Zhongguo Muban Nianhua Jicheng Riben Cangpin Juan 中国木版年画集成 日本藏品卷 (Chinese Wood-Block New Year Pictures, Volume Japanese Collections), Beijing: Zhonghua Press, 2011, S. 66, 67.
(3) Vgl. Lexikon der christlichen Ikonographie. Hrsg. v. Wolfgang Braunfels. Rom, u. a. 1974. Bd. 6, S. 90–91, Lemma Dorothea; Joseph Braun: Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. Berlin 3. Aufl. 1988 (1. Aufl. 1943), Sp. 195–197.
(4) Jean-Baptiste Du Halde: 152 Chinese Letters of The Jesuits in China: The Memorial Notes of China, 耶稣会士中国书简:中国回忆录, translated by Lü Yimin, Shen Jian, Zheng Dedi, Zhengzhou: Elephant Press, 2001, p. 241.
(5) Vgl. A 156350–A 156353 und zahlreiche Werke im British Museum, London.
(6) Olson, Marsha Gail: Jesus, Mary, and all of the saints: Indo-Portuguese statuettes and their role as mission art in seventeenth to eighteenth century Goa, Ann Arbor 2007; Porras, Stephanie: Locating Hispano-Philippine ivories. In: Colonial Latin American Review, Vol. 29, No. 2, 2020, S. 256–291. [digital: https://doi.org/10.1080/10609164.2020.1755940]"
(© Anita Xiaoming Wang / Cordula Bischoff 02.11.2016)

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Signatur, Bezeichnung, Inschriften
Verso Klebezettel „Sinica XXXII“
La Chine. Die China-Sammlung des 18. Jahrhunderts im Dresdner Kupferstich-Kabinett, Ausst.-Kat. Dresden, Kupferstich-Kabinett, hg. von Cordula Bischoff und Petra Kuhlmann-Hodick, Dresden 2021, S. 146 f, Nr. Kat. 17

Alter Bestand, erworben vor 1738 (Heucher-Inventar, Cat. 1, S. 159, Nr. 42 - versehentlich nicht angegeben)

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