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Ort, Datierung
Afrika, Togo, Adéli [Adele], vor 1906
Abmessungen
17,5 x 32 x 15,5 cm
Inventarnummer
MAf 11815
Dieses Objekt ist Teil der Kollektion des Projektes "Provenienz von kolonialzeitlichen Sammlungen aus Togo”: Link der Kollektionsseite.

Der hier sogenannte Ahnenstuhl Nayo wurde aus Holz geschnitzt und rot und weiß bemalt. An die Sitzfläche wurden textile Bänder mit Metallglocken gehängt. Es finden sich Blut und Federreste am Gegenstand. Laut Katalogzettel stammt Nayo aus „Adele, Ort Perëu bei Bismarckburg“ (heutiges Adéli/ Anié in der Region Plateaux) und soll das wichtigste religiöse Attribut der Adele darstellen. Die Adele sind eine Bevölkerungsgruppe, die die Regionen der Adele-Berge, die die heutige Grenze zwischen Ghana und Togo markieren, besiedeln. Im Westen begrenzen die Ebenen östlich des Oti-Flusses das traditionelle Gebiet. Die Adele werden als Teil der in diesen Regionen am längsten lebenden Bevölkerungen angesehen. Die erste im Adeleland gegründete koloniale Station war im Jahr 1888 Bismarckburg. Die Hauptstadt der Adele und Sitz ihres Königs ist die Stadt Dadiasi (historische Bezeichnungen auch Odadease oder Dadiasse).
Laut Dr. Emery Patrick Effiboley handelt es sich hierbei um einen rituellen Gegenstand, ähnlich dem königlichen Stuhl, den man in Togo, Ghana und Benin finden kann. Die Form des Stuhls verweist auf jemanden, der die Macht innehat oder jemand, der die Macht wiedererlangt. Laut Dr. Ohiniko M. Toffa steht Nayo für eine Repräsentation der Ältesten (der Gründer) der Gemeinschaft und wird in anderen Regionen auch Ahnenstuhl genannt, um diese und ihre Seelen immer willkommen zu heißen. Die Spiritualität des Objekts bezieht sich auf den Zusammenhalt der Gemeinschaft als auch die geistige Verbindung mit den Ahnen, die die Kontinuität über Generationen hinweg repräsentiert. Nayo ist nicht zum Sitzen gedacht, sondern steht in einem geschlossenen Raum, in dem durch ihn die Ahnen anwesend sind. Man opfert ihnen in manchen Regionen das Blut und die Federn eines Huhnes auf dem Stuhl. Anhand der Spuren der Opfergaben erkennt man in welchem Jahr welche Zeremonien durchgeführt wurden. Der Priester, der die Zeremonie durchführt, erhält hierdurch Aussagen über die Zukunft.
Im Jahrbuch des städtischen Museums für Völkerkunde zu Leipzig von 1907 schrieb Dr. G. Antze über den Ahnenstuhl der Adele Glaubensgemeinschaft Nayo, „der seinen Sitz in in Perëu, westlich von Bismarckburg“ haben soll. Er sagt: „Mischlich konnte ihn nur unter Aufwendung großer Vorsicht und vieler List erwerben." Weiter zitiert er Mischlich: „Noch vor ungefähr zehn Jahren würde wegen […] Nayo […] ein Krieg ausgebrochen sein. Es würde vollständig unmöglich gewesen sein, einen dieser […] zu erwerben, ja ihn nur zu sehen. Auch jetzt noch ist alle Vorsicht anzuwenden.“ (Antze 1907: 55, zitiert aus MVL 1906/41, Adam Mischlich) Mischlich war sich somit über die Bedeutung der entwendeten Objekte im Klaren. Aufgrund der folgenden Aussage Mischlichs lässt sich erkennen, dass er der Meinung war, er könne die Unterwerfung der lokalen Bevölkerung nur erreichen, indem er die für die Glaubensgemeinschaft wichtigen Objekte entwendete: „[D]er sogenannte Goldene Stuhl, der Asanteer befindet sich immer noch in den Händen der Eingeborenen trotz großer Anstrengungen der Engländer ihn zu erlangen. So lange sie den nicht in ihre Gewalt bekommen, werden die Engländer stets Schwierigkeiten haben mit der Verwaltung in Asante, immer & immer wieder auf Widerstand stoßen.“ (MVL 1906/41 Adam Mischlich)
Auch das „Odomgeben“ (siehe auch MAf 09595 – MAf 09601, MAf 09606) soll bei Nayo auch eine Rolle gespielt haben. Hierzu schreibt Mischlich: „Nayo […] ist die Ursache gewesen, daß trotz Verbots seitens der Station Kete-Kratschi immer u. immer wieder, allerdings nur ganz geheim, ‘Odom‘ gegeben wurde. Die ‘Odom‘-Geber hatten in Nayo ihre Stütze, ihren Rückhalt & glaubten, trotzdem je & je einer von ihnen bestraft wurde, Nayo wird sie schützen. In den Landschaften Adele, Atjuti, Tribu u. Kebu ist ‘Odom‘-Gottesurteil in Form von genießen eines Gifttrankes seit undenklichen Zeiten Sitte.“ (MVL 1906/41, Adam Mischlich)
Adam Mischlich (1864-1948) arbeitete ab 1890 als Missionar für die Basler Mission erst an der Goldküste (Ghana) und ab 1894 in Togo. Nachdem er 1897 aufgrund eines sexualstrafrechtlichen Skandals aus der Basler Mission ausschied (Erbar 1991), trat er in den Dienst des Gouvernements Togo. 1898 übernahm er die Leitung der Station Kete-Kratschi (heute Kete Krachi, Ghana) und 1913 die der Station „Misahöhe“ (bei Kpalimé, Togo). Die Unterdrückung der lokalen Bevölkerung als auch die Ausführung der kolonialen Gerichtsbarkeit unterlagen ihm als Stationsleiter. (Meyer-Bahlburg 1994) Als Afrikanist führte er sprachwissenschaftliche Studien in Zentral- und Nord-Togo, vor allem des Hausa, durch und veröffentlichte diese in Missionsblättern und den „Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten“. Uns sind bisher keine militärischen Aktivitäten Mischlichs bekannt, was nicht heißt, dass nicht auch er potenziell an kriegerischen Auseinandersetzungen und Plünderungen der Bevölkerung beteiligt war. Des Weiteren war es nicht unüblich, dass die kolonialen Akteure sich gegenseitig Objekte schenkten, verkauften oder tauschten. Durch Adam Mischlich (bzw. von Mischlich an das Museum für Völkerkunde Berlin und anschließend an das Museum für Völkerkunde Leipzig) kamen insgesamt 494 Objekte an das Museum, von denen aktuell 35 als vermisst gelten. Den hier sogenannten Ahnenstuhl Nayo schenkte Mischlich dem MVL im Jahr 1906. (MVL, Marlena Barnstorf-Brandes, 27.07.2023)
Kultureller Kontext
Adele (Herstellung)
Reproduktion
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