Vorschaubild des Elementes mit der Inventarnummer Gal.-Nr. 3740
Ort, Datierung
Material und Technik
Abmessungen
101 x 92,5 cm
Museum
Inventarnummer
Gal.-Nr. 3740
Selbstbildnisse sind im Schaffen von Oskar Zwintscher, ebenso wie die Ganzfigurenporträts seiner Gattin, ein zentrales Motiv. In den Selbstdarstellungen liegt der Fokus auf dem Gesicht des Künstlers im Sinne von forschenden Selbstbefragungen voller Ernst, ja Melancholie. Nur einmal, 1904, Zwintscher hatte gerade an der Dresdner Kunstakademie den Professorentitel erhalten und äußerst erfolgreich ausgestellt, stellte er sich so, mit in die Hüfte gestütztem Arm in jugendlich-energischer Pose dar, wie sie seit der Renaissance aus Porträts selbstbewusster Edelmänner bekannt ist. In der letzten Phase der Arbeit am Bild fügt er eine durchscheinend gemalte, erloschene Kerze hinzu (1). 1897 hatte sich der Künstler in einem Selbstbildnis mit Tod und Stundenglas inszeniert und diese Allegorie dem Bildnis seiner späteren Frau Adele als Braut im Frühling zur Seite gestellt (Kunstsammlungen Chemnitz). Die Idee zu einem solchen Paarbildnis legt es nahe, auch für das Selbstporträt von 1904 zu vermuten (2), dass es zunächst als Gegenstück zu dem 1906 signierten »Bildnis der Gattin des Künstlers vor schwarzen Kacheln« (3) angelegt war, welches Adele im Kniestück und nach links gewandt zeigt (Museum Kunstpalast Düsseldorf). Die Änderungen im Malprozess des Selbstporträts an Figur und Händen sowie im Hintergrund – so ist zum Beispiel links ein Ornament übermalt – könnten daher noch auf die Idee zu einem Doppelbildnis zurückgehen. So wie Zwintscher sein Bildnis 1904 aber vollendete, hatte er vor allem Effekte in der Hell-Dunkel-Malerei zum Ziel. Nur im oberen Drittel des Bildes fällt von links schwach Licht ein, das im Hintergrund die Ränder der stark reliefierten, glasierten Kacheln aufscheinen lässt. Die Hände hingegen liegen im fast Dunklen. Beleuchtet ist nur eine Hälfte des Gesichts. Allerdings ist die Farbe für das Inkarnat auch so gewählt und aufgetragen, dass sie selbst ein sogenanntes Farblicht abgibt. In sanfter Lichtführung ist das Gesicht weich geformt, bestechend ist im Gegensatz die Direktheit des gerade gerichteten Blicks, mit Weiß ist im Auge ein klarer Lichtakzent gesetzt. Der Blick aus nur einem Auge richtet sich explizit auf ein Geschehen außerhalb des Bildes, weist aus dem Bild und der darin verankerten Symbolik heraus. Gewiss nicht zufällig, denn Zwintscher suchte und korrigierte lang im Malprozess, ist die Kerze ohne Flamme auf der Schattenseite und in Höhe des Gesichts platziert. Beide Bildelemente – Gesicht und Kerze – erscheinen separat gerahmt von dem auseinanderstrebenden Blatt- oder Muschelornament, also nicht untrennbar aufeinander bezogen. Exakt unterhalb des durchaus hochsymbolisch lesbaren Attributs jener nicht brennenden Kerze ist die im Dunkeln kaum sichtbare Zigarette eingefügt: gehalten, um sie zum nächsten Zug an den Mund zu führen, oder aber bereits erloschen? Ein Pendeln zwischen Überhöhung und Alltäglichkeit? Die Attribute bleiben letztlich Details, überstrahlt von der Intensität des Blicks und auch der Kraft der Malerei dunkler Töne. Auffallend großzügig sind die Lichter auf den Kacheln in kühlem Hell gesetzt, ausgemischt aus dem Grün der Kacheln. Das Dunkel des Kachelgrüns selbst geht über zu Schwarz. Ein deutlich anderer Ton bezeichnet das beinahe-Schwarz des Anzugs. Wiederum unterschiedlich davon erscheint das Blauschwarz des Streifens links am Bildrand, dem ein Streifen sehr dunklen Rots zugeordnet ist. Rote, grüne und blaue Farbanteile bzw. Pigmente bieten die Möglichkeit, ein Schwarz stärker leuchten zu lassen als dies allein mit matt erscheinenden Schwarzpigmenten möglich ist (4). Zwintscher verfeinerte später sein maltechnisches Können hin zu einem »schwärzeren Schwarz« (vgl. Abb. S. 72 und 84). Hier im Bildnis sind das dunkle Grün und Rot als Farben gerade noch erkennbar, verschmelzen aber auch infolge der dicken Firnisschicht bei Betrachtung des Originals zu einem gesamtschwarzen Eindruck. Das diffus gezeichnete, warmtonige Antlitz, das im Dunkel wie eine Erscheinung auftaucht, steht berührend, aber auch ein wenig zusammenhangslos vor den das Licht spiegelnden Kacheln. Mitgeschuldet ist das womöglich auch den Veränderungen der Farb- und Firnisschichten seit Entstehung des Bildes.
(Birgit Dalbajewa: 2021)

1 Verweise auf die Symbolik des Vanitasmotivs in Majerczyk 2019,S. 177.
2 Ebd., S. 188. Eine ähnliche Vermutung äußerte Bettina Baumgärtel, Museum Kunstpalast Düsseldorf, im Juni 2019. Silke Beisiegelkonnte die Ursprungsmaße des später verkleinerten Selbstbildnisses von 1904 rekonstruieren, vgl. S. 60.
3 Günther 1999, S. 74, Nr. 82.
4 Anna Krone legte 2020 unter Leitung von Ursula Haller, MonikaKammer und Silke Beisiegel an der HfBK Dresden zur Darstellung von Schwarz in der Malerei um 1900 am Beispiel Oskar Zwintschers eine umfassende kunsttechnologische Seminararbeit vor. Dank gilt allen Beteiligten.
Signatur, Bezeichnung, Inschriften
Bezeichnet links unten: OZ 1904

Besitzer: Professor Hans Unger, Loschwitz; 1969 erworben von Maja Unger (Tochter des Malers), Dresden

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Albertinum Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900
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