Vorschaubild des Elementes mit der Inventarnummer Gal.-Nr. 3867
Ort, Datierung
Material und Technik
Abmessungen
139 x 100 cm
Museum
Inventarnummer
Gal.-Nr. 3867
Frühlingsmotive malte Oskar Zwintscher in seiner frühen Schaffenszeit als impressionistisch aufgelösten Momenteindruck (1). Bald darauf entstanden bereits ganz in der Mode des Jugendstils stilisierte Baumlandschaften, so eine »Frühlingslandschaft« mit Liebespaar und Putto von 1895. Staffage wurde nun zum Symbolträger. Zwintscher hatte seinen Stil verändert, nachdem er 1895 zum ersten Mal die moderne Kunstszene in München erlebt und Beispiele für die kontrastreiche Koloristik und aufgeladene Symbolik von Arnold Böcklin gesehen hatte. Die Landschaft mit dem Blick über die Ebene unter hohem Himmel ist nicht vordergründig zu deuten, dennoch steht das Bild der Ideenmalerei nahe. Natur-, Jahreszeiten- und Lebensalterssymbolik verbinden sich mit Metaphern der damals virulenten Sehnsucht, in Einheit mit der verloren geglaubten Natur leben zu können. Natur versprach ebenso jene »Ursprünglichkeit«, wie man sie in der Unschuld und Unbeschwertheit des Kindes sah. Der flötenspielende Junge im Schatten auf dem Felsvorsprung fügt sich aber auch in die reale Gegenwart des Künstlers. Das Bild vom Verlauf des Flusses in die kaum zu fassende Weite bietet sich für Assoziationen zur in der Kindheit unendlich erscheinenden Lebenszeit geradezu an, ist aber doch gebunden an ein wirkliches Motiv. Der Betrachter ist weniger in ein fernes Arkadien versetzt, in dem die Flöte an den Naturgott Pan gemahnt, sondern in eine mit Schatten und Licht der Mittagshitze inszenierte Landschaftssituation, die sich bis heute in etwa so darbietet. Der Fels im Rücken des Kindes – als eindrückliche Vordergrundkulisse vor die Landschaft gesetzt – existiert allerdings nicht mehr (2). Der Blick von der Boselspitze (Spaargebirge bei Meißen) in die Ebene aber ist topografisch genau wiedergegeben. Das elbnahe Dorf Sörnewitz samt Straßenbiegung hat sich in dieser Struktur erhalten. In der Bildtiefe folgen die Orte Brockwitz und dahinter als roter Fleck Coswig; am Horizont wären Radebeul und Dresden zu denken. Für den Maler war die Entwicklung der überaus kruden Bildtiefe im unteren Bildabschnitt wesentlich, ebenso das symmetrisch-ornamentale Gefüge sowie das Rot der Dächer, dass dem so hoch gespannten, dominanten Himmelsblau gegenübergestellt ist. Zwintscher entwickelte das Motiv weiter. Wohl nach dieser unvollendeten Landschaft »Frühling« entstand 1896 eine weitere Fassung in einem ungewöhnlich gelängten Format in der Art eines Panneaus. Der Fels ist in noch stärkerer Verkürzung gezeigt, der Himmel sehr viel höher gespannt (3). Der Junge auf dem Fels ist – dem »Hirtenknaben« Lenbachs verwandt – liegend dargestellt, die Hand mit der Flöte ausgestreckt, der Titel lautet »Ein Sommertag«. Eine weitere, abermals in die Höhe gestreckte Fassung von 1909 ist das Gemälde »Sonnenglut « (verschollen) (4). Der Fels ist dort bis zu einer bedrohlich Schatten werfenden Turmruine gesteigert (5). Ähnlich blieb das Motiv der sich bizarr auflösenden und in weiterer Ferne dichteren Wolken. Die Idee, den Ausblick in eine sonnige Weite als Lebensmetapher zu konzipieren, war dem Künstler wichtig. »Du meiner Reife stilles Sommerland, du meine zweite, schöne Jugendzeit!« dichtete er unter dem Titel »Mittagshöhe« (6).
(Birgit Dalbajewa: 2021)

1 Vgl. Beispiele um 1893/95 in Günther 1999, S. 59, Nr. 9, und S. 63, Nr. 27.
2 Recherche von Michael Mäder (SKD). Heute befindet sich an dieser Stelle ein mauergesäumtes Aussichtsplateau.
3 Während der Himmel in »Frühling« etwa dreieinhalb Mal so viel Höhe einnimmt wie das Land bis zum Horizont, ist er in der Fassung aus dem Bestand der Städtischen Galerie (Günther 1999, S. 64, Nr. 34, 225 × 125 cm) etwa sechs Mal so hoch. Vgl. auch das ganz ähnlich angelegte Motiv Nr. 3 »Sommer« der Stollwerck-Jahreszeiten (1898; zur Serie s. S. 67), wo die 1895 noch aufragende Felsspitze bereits abgetragen erscheint; s. auch Lorenz 2000, S. 200.
4 Günther 1999, S. 78, Nr. 96.
5 Womöglich in Anlehnung an den 1898 nahe jener Boselspitze erbauten Aussichtsturm.
6 Zwintscher 1917, S. 17.

1973 übernommen aus dem Nachlass Maja Unger (Tochter des Malers Hans Unger), Dresden

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Albertinum Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900
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