Gütschow, Ernst

Ernst Friedrich Gütschow (1869-1946) war deutscher Geschäftsführer in der Tabakindustrie von den 1890er bis in die 1930er Jahre und begann mit seinem finanziellen Kapital auch eine breite Tätigkeit als Kunst- und Kulturmäzen zu entfalten. Er hatte unter anderem die Position des Generaldirektors der Dresdner Zigarettenfabrik Jasmatzi und war Besitzer von Burg Tzschocha/ Czocha.
Gütschow konnte auf ein Netzwerk zurückzugreifen konnte, das global Kulturgüter akquirieren konnte. 1910 schenkte er dem Museum für Völkerkunde Dresden eine umfangreiche Sammlung über 450 „Objekte“, die er von einer bisher unbekannten Person kaufte, unter der sich Objekte aus verschiedenen Teilen Westafrikas befinden, darunter auch aus Kamerun und Togo. Die gesamte Kamerun-Sammlung aus dem Cross-River-Gebiet erwarb er von dem bekannten Arzt und Kolonialbeamten Alfred Mansfeld, der ab 1904 mehrere Jahre in Kamerun, aber auch in Togo verbrachte. Es ist zu vermuten, dass Gütschow selbst nie in Afrika war. Er profitierte aber von den kolonialen Machtstrukturen seiner Zeit; zum einen, da er dieses Konvolut aus der damaligen Kolonie „Togoland“ akquirieren konnte, und zum anderen, da er durch die Vermittlung an das Museum als Geschenk einen sächsischen königlichen Orden („Ritterkreuz 1. Klasse des Albrechtsordens“) erhielt, der sein Sozialprestige steigerte. Es ging ihm in starkem Maße um die Akkumulation von Prestige und öffentlicher Aufmerksamkeit.
Im Sächsischen Staatsarchiv konnten Hinweise zur Transaktion ausfindig gemacht werden. So informierte am 6. Oktober 1910 der frühere Museumsdirektor Arnold Jacobi die Generaldirektion der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zunächst in einem ausführlichen Brief. Hier wird deutlich, wie das Museum seinen Einfluss in Kreisen von kolonialen Akteuren und Profiteuren nutzte. In diesem Fall verhalf Jacobi Gütschow bei der Verbesserung seines gesellschaftlichen Ansehens und stärkte seine Position innerhalb des Netzwerkes. Gütschow dagegen ermöglichte es dem Museum, in den Besitz einer begehrten Sammlung zu kommen, die dieses aus finanziellen Gründen nicht hätte erwerben können. Wie die Sammlung jedoch überhaupt in Gütschows Besitz gekommen war, konnte bislang nicht ermittelt werden. Zum aktuellen Stand ist nur belegt, dass er sie vermutlich in Dresden von einer uns bisher unbekannten Person ankaufte. Ein Hinweis zum Umfeld dieser Person gab Jacobi im oben zitierten Brief, in dem er die Generaldirektion darauf hinwies, dass auch Prof. Dr. Hans Meyer als Mäzen des Leipziger Museums Interesse an der Sammlung aus Togo habe. Er legte der Generaldirektion nahe, diesem zuvorzukommen. Die hier nachgezeichnete Sammlungsgeschichte macht deutlich, dass die Objektaneignung und der Weiterverkauf in einem engen Verhältnis mit den Handelsnetzwerken im deutschen Kaiserreich standen. Es geht hier um Menschen, die manchmal nicht direkt in die deutsche Kolonialpolitik verwickelt waren, die sie aber für ihre Geschäftsinteressen nutzten. Weitere Forschungen zu den Geschäftsverhältnissen zwischen Gütschow, Hans Meyer, Alfred Mansfeld und Harry Grunitzky sind notwendig, um dieses Netzwerk und seine Bedeutung in der deutschen Kolonialmetropole zu verstehen.
Gütschow, der Kulturgut aus aller Welt sammelte und in mehreren einflussreichen Räumen agierte, erscheint vielmehr als das, was er auch beruflich darstellte. Er war ein Vertreter des Wirtschaftsbürgertums, das sich in der aufsteigenden deutschen Industrienation besonders aus Akteuren formierte, die als leistungsfähige und risikobereite Unternehmer auftraten. Diese verfolgten die Absicht, ihren erwirtschafteten Erfolg öffentlich zu demonstrieren.
Toni Hanel

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